In der Tat, die virtuellen Hallen von Instagram sind gefüllt mit einem Kaleidoskop an Sinnsprüchen, die gleichsam als digitale Talismane dienen sollen. Sie funkeln mit der Verheißung eines lebensbejahenden Zaubers, der die düsteren Schatten des Alltags zu vertreiben verspricht. Mit dem Hashtag #positivity markiert, reihen sie sich ein in die lange Tradition des menschlichen Bestrebens, dem Leben eine positive Richtung zu geben – ein Epos, das schon so alt ist wie die Menschheit selbst.
Doch wie bei allen Dingen, die im Überfluss vorhanden sind, läuft auch die Botschaft der ungetrübten Positivität Gefahr, ihre Bedeutung zu verwässern. Der Bestseller von Norman Vincent Peale, „Die Kraft positiven Denkens“, mag in den 1950er Jahren eine Offenbarung gewesen sein, doch in der heutigen Zeit, wo jeder zweite Instagram-Post ein Hoch auf die Unfehlbarkeit des Optimismus singt, schwingt auch ein Hauch von Monotonie mit. Die Gurus der modernen Selbsthilfe, seien sie nun Wissenschaftler, Yogalehrer oder Ernährungsberater, scharen sich um dieses Mantra wie Motten um eine Flamme, jeder versucht, seine eigene Version der Positivität zu vermarkten.
Das Konzept der ‚toxic positivity‘ mag zwar nicht direkt aus den Laboratorien der Wissenschaft stammen, jedoch verkörpert es das Paradoxon unserer Zeit: das Streben nach Glück um jeden Preis, auch wenn es bedeutet, den dunklen, doch essentiellen Aspekten des Menschseins den Rücken zu kehren. Emotionen, gleich welcher Färbung, sind Boten unserer Seele, sie sind das Echo unserer tiefsten Bedürfnisse und Ängste. Indem wir sie in ‚gut‘ und ’schlecht‘ einteilen, verleugnen wir ihre wahre Bedeutung und ihren Zweck.
Es ist gerade die Angst, die uns die Augen öffnet für die verborgenen Gefahren, das „schlechte Gefühl“ im Bauch, das uns vor einem unheilvollen Pfad warnen kann. Doch die industrielle Maschinerie der Positivität, betrieben von den Lächel-Propheten des 21. Jahrhunderts, mahnt uns, diese Gefühle zu unterdrücken, sie aus unserem Bewusstsein zu verbannen, als ob sie nicht Teil unseres Seins wären.
Die Trauer, ein unbequemer, aber unerlässlicher Begleiter durch die Stürme des Lebens, wird in eine dunkle Ecke des Geistes gedrängt, in der Hoffnung, sie möge dort still und leise vergehen. Aber Trauer ist kein Feind, der besiegt werden muss; sie ist ein Freund, der unseren Schmerz teilt und uns erlaubt, Verlust zu begreifen und zu verarbeiten.
Das stetige Bestreben, glücklich zu sein, das uns von den Bildschirmen entgegenspringt, ist eine Falle. Es suggeriert, Glück sei eine Wahl, eine einfache Entscheidung – und wenn wir uns entscheiden, unglücklich zu sein, dann ist es unsere eigene Schuld. So entsteht eine Spirale der Selbstanklage, ein Strudel, der uns tiefer in die Abgründe der Einsamkeit zieht.
In der Tat, wenn wir nur unsere strahlendsten Momente teilen, verlieren wir die Fähigkeit, unserem wahren Selbst zu offenbaren. Es ist die Gemeinschaft, das Teilen unserer Freuden und Ängste, das uns menschlich macht, nicht das ständige Lächeln, das wir wie eine Maske tragen.