Inhaltsverzeichnis
- Vom Unterscheiden und Zusammenlegen: Ethnobiologische Klassifikationen von Pflanzen und Tieren in traditionellen Gesellschaften
- Ethnoscience
- Lokales Wissen
- Unterschiede zwischen wissenschaftlichen und Lokalem Wissen
- Das emisch – etisch Konzept
- Folkbiology
- Taxonomie
- Kategorisierung und Klassifikation
- Ebenen der Ethnobiologischen Taxonomie
- Folk Kingdom
- Life Form
- Generic Species
- Folk Specific
- Folk Varietal
- Itzaj Maya Folkbiological Taxonomy
- Zusammenfassung
Vom Unterscheiden und Zusammenlegen:
Ethnobiologische Klassifikationen von Pflanzen und Tieren in traditionellen Gesellschaften
Mit dem Begriff des indigenem Wissens werden verschiedenartige Vorstellungen von „Indianer im Busch“ assoziiert, welcher im völligen Einklang mit der ihn umgebenden Natur uralte, mystische Kräuter vermengt um damit Krankheiten zu heilen oder Schmerzen zu lindern. Im Gegensatz zur westlichen Wissenschaft erscheint indigenes Wissen als nicht- theoriefähig, intuitiv und willkürlich. Das Bild des „Indianers“ zeigt nicht selten einen respektvollen und schonenden Umgang mit der Natur. Auf ihn werden Bilder von Gleichgewicht, Naturverbundenheit, die Abwesenheit von Gier und Luxus projiziert. Bis auf die Generierung von Wirkstoffen unbekannter Heilpflanzen mit Hilfe der modernen westlichen Wissenschaft, erscheint dieses Wissen als veraltet und nicht fähig zur Innovation. Naturromantische Gefühle und Faszination auf der einen und das Bild eines rückständigen und irrationalen Wissens auf der anderen Seite, zeigen die Ambivalenz die indigenem Wissen häufig entgegengebracht wird. Dabei wird verdrängt, dass die „westliche“ Wissenschaft nur eine, wenn auch die weitverbreitetste, Form des Verstehen und Denkens ist. Traditionelle Wissenschaften wurden und werden nicht als gleichwertig angesehen. Die westliche Wissenschaft gilt als rational und universell gültig. Doch auch sie kann man unter den Begriff der Ethnowissenschaft begreifen, dass sie wie alle anderen Wissenschaften eine spezifische kulturelle Basis des Wahrnehmens und Denkens zugrunde hat.
Ethnoscience
Der Begriff Ethnoscience tauchte in den 1960ern auf. Befürworter der kognitiven Anthropologie begannen sich mit der Beziehung zwischen modernen, westlichen Gesellschaften und den indigenen Weltbildern zu beschäftigten. Jedoch wurde der Begriff teilweise synonym für kognitive Anthropologie, Komponentenanalyse und die neue Ethnographie verwand. Heute bezeichnet der Begriff der Ethnoscience weniger eine theoretische Perspektive sondern eher eine Spezialisierung auf indigene Wissenssysteme. Teilgebiete der Ethnoscience sind u.a. Ethnobotanik, Ethnozoologie, Ethnomedizin.
Anfangs stand die Ethnoscience der Linguistik nahe, später allerdings bewegte sie sich mehr in Richtung der kognitiven Psychologie. Der Schwerpunkt der Ethnoscience lag, unter dem Einfluss der Kognitiver Psychologie und der Linguistik, in der Entwicklung formaler Verfahren und Modelle zur Erhebung und Darstellung kulturspezifischer Klassifikationssysteme. Diese bezogen sich auf weitestgehend wahrnehmbare Objekte der natürlichen Umwelt wie Pflanzen-, Tier- und Farbterminologien. Die Entdeckung von kognitiven Ordnungsprinzipien war Ziel der Ethnoscience. Wassmann behauptete dass die verschiedenen Kulturen die Welt anders ordnen und im Umgang mit ihrer einer anderen Logik folgten. So kann Kultur, all das sein was ein Mitglied einer Gesellschaft wissen oder glauben muss, um sich in einer für diese Gesellschaft annehmbaren Weise verhalten zu können, also alles, was dem Menschen nicht angeboren ist, sondern was er im Laufe seiner Sozialisation lernt. In einer anderen Definition des Begriffs von Kultur schreibt A. Knapp-Potthoff:
Eine Kultur stellt ein Ensemble von in symbolischen Handeln manifestierten Wissensbeständen das, die sich in den verschiedenen soziohistorischen Domänen und Entwicklungsphasen einer Gesellschaft unterscheiden oder für diese Domänen spezifisch sind, die aber durch den Bezug auf die gleiche Gesellschaft einen mehr oder weniger gemeinsamen Kern an Weltbildern, Wertvorstellungen, Denkweisen, Normen und Konventionen aufweisen und die sich deshalb – vor allem aus der homogenisierenden Perspektive von außen – als solchen einer bestimmten Kultur darstellen.
Goodenough spricht in seiner Definition von Kultur als “the forms of the things in the mind of people”, Knapp-Potthoff von Wissensbeständen, Denkweisen und Konventionen. Kultur ist ein Symbolsystem, das dazu dient, die Umwelt zu ordnen und sich in ihr zu orientieren, und weist damit Parallelen zur Sprache auf. Die Erforschung von Kultur ist damit weitgehend an die Untersuchung von Sprache gebunden. Ein weiterer wichtiger Teilbereich von Kultur ist kognitiv. Um das kulturspezifisches Verhalten eines Individuums zu verstehen, müssen die Überzeugungen, Regeln und Modelle aufgedeckt werden, die die kognitiven Grundlagen des Verhaltens bilden. Kultur wird in einer Gruppe tradiert, von Individuen gelernt und kann daher von Individuen repräsentiert und wiedergegeben werden.
Lokales Wissen
Lokales Wissen ist in einen lokalen Kontext eingebettet und nur dort hat es seine Bedeutung. Kontextuale Theoriebildung und traditionelle Praktiken entstammen immer aus dem jeweiligen lokalen Bedeutungssysteme, welches sie dort mit Sinn und Zweck versorgt. Lokales Wissen ist untrennbar mit Wahrnehmungsweisen, Werten, Kultur und Sozialisationsweisen verbunden. Es ist stark problemorientiert und empirisch, nicht theoretisch. Es dient zur Lösung oder Beantwortung jener konkreten Probleme, welche im Alltag einer Gemeinschaft auftreten. Die Lösung wird nicht von einer schon bestehenden Theorie abgeleitet. So kann man lokales Wissen auch mit Handlungswissen oder Alltagswissen beschreiben. Es enthält nicht bloß Information und setzt sich mehr mit dem praktischen „wie“ vielmehr auseinander als mit dem objektiven „was“.
Das Konzept des lokalen Wissens ist nicht zu objektivierbar. Vielmehr ist es eingebettet in spezifischen kulturellen Kenntnissen und Fähigkeiten, welche nach dem Prinzip der alltagspraktischen Daumenregel und Empirie orientiert, und nur so präzise sind, wie nur praktisch notwendig. Zwar kann auch lokales Wissen in ein anderes Wissenssystem überführt werden, aber ein Meta-Wissen, ein Wissen über das lokale Wissen, ist notwendig um es richtig zu verwerten. Ein schlichter Vergleich beispielsweise der ethnobiologischen Taxonomie der Begriffe auf linguistischer Basis oder die Bewertung von Kategorien dieser, würde demnach der Bedeutung von lokalem Wissen in „kontextueller Richtigkeit“ nicht gerecht werden. Ein Problem der Beschreibung des Begriffes von lokalem Wissen ist die implizierte Lokalität. Was mit lokal gemeint ist, bleibt im wissenschaftlichen Diskurs oft unerwähnt oder unscharf. Lokalität wird geschaffen durch die Interaktion mit dem lokalen Raum und ist begrenzt durch die Grenzen der Interaktion.
Unterschiede zwischen wissenschaftlichen und Lokalem Wissen
Wissenschaft | Lokales Wissen | |
Kategorien |
Universal |
Lokal |
Taxonomische Ebenen |
Ausgefüllt |
Nicht alle Ebenen ausgefüllt |
Lager |
Auf Papier oder elektronisch |
Mental |
Das emisch – etisch Konzept
„Emisch“ (Innenperspektive) bedeutet distinktiv relevant und bedeutungsunterscheidend. Dies können Redeweisen und Strategien sein die außenstehenden Beobachtern möglicherweise nicht sinnvoll erscheinen, den Personen innerhalb dieser Gemeinschaft jedoch nachzuvollziehen und logisch erscheinen. Die emische Perspektive des Insiders spiegelt keine Objektivität wieder, sondern zwingt verschiedene Realitäten zu akzeptieren und sich mit Kategorien zu identifizieren, die den Mitgliedern dieser Gemeinschaft etwas bedeuten.
„Etisch“ (Außenperspektive) bedeutet nicht-bedeutungsunterscheidend, nicht-distinktiv, und irrelevant. Strategien und Redeweisen, die den außenstehenden Beobachtern sinnvoll erscheinen, jedoch nicht ohne weiteres den, von ihnen beobachteten, handelnden Personen. Die etische Perspektive ist eine externe, sozialwissenschaftliche Perspektive der Realität. Sie ist für erstes Datensammeln und für kulturelle Vergleiche hilfreich. Bei Interviewsist zu beachten, dass Informanten nicht notwendigerweise die grammatischen Regeln, die die Basis ihrer Sprache bilden, erklären können, so können sie auch unfähig sein, das emische System zu erklären, das unter ihren kulturellen Praktiken und Verständnissen liegt. Die Entwicklung eines solchen Systems ist die Aufgabe des Analytiker, nicht des Informanten. Um nun ein kulturelles System wie indigenes Wissen innerhalb seiner Taxonomie zu verstehen und zu interpretieren, ist eine emische Sichtweise notwendig.
Folkbiology
Die Folkbiology befasst sich interdisziplinär mit der Klassifizierung und Denkensweise der Umwelt von Gemeinschaften. Der englische Begriff der Folkbiology und der deutsche Begriff der Ethnobiologie werden in dieser Arbeit synonym verwendet.
Als Folk Taxonomies sind Laien-Taxonomien gemeint. Wobei der Begriff des Laien sehr problematisch sein kann. Tituliert man nicht- wissenschaftliche (im Sinne von Western Science) Indigene als Laien, impliziert diese Bezeichnung das Fehlen von Experten- und Fachwissen dieser Personen. Gleichzeitig hebt es den Wissenschaftler in den Rang des Richters über Wahrheit und Falschheit von Wissen. Versteht man „Laienwissen“ im Sinne von „Volksmund“ oder Alltagswissen so ist der Begriff wertneutral. Um die Unterscheidung der Herkunft nicht unnötig zu erschweren oder wird im Folgenden der Arbeit der Begriff Folk in der Opposition zum Begriff der Western Science gebraucht. Das diese Unterscheidung hinterfragt werden sollte erscheint klar.
Welche Pflanzen und Tiere in anderen Kulturen genutzt werden war schon immer im Interesse von Ethnologen. Daher ist die Ethnobiologie, bzw., die Ethnobotanik und Ethnozoologie so alt wie die Ethnologie selbst. Bis Mitte des 20ten Jahrhunderts stand die Bedeutung und Nutzung von Tieren und Pflanzen für eine bestimmte Ethnie im Vordergrund. In den 50ern wand man sich der Kulturspezifischen Wahrnehmung und Einteilung von Tier-und Pflanzenwelt zu. Die Analyse fremder Sprach-und Denkkategorien war bis dahin darauf beschränkt eigene Kategorien auf fremde Sichtweisen anzuwenden. Der neue Ansatz hieß nun eine Nachvollziehbarkeit innerhalb des fremden Systems zu schaffen in eben diesen Kategorien. Daher ging man davon aus, dass jede Ethnie ihr eigenes Ordnungssystem besitzt, mit welchem die Mitglieder der Gruppe Phänomene ihrer Umwelt kategorisieren.
Taxonomie
Die Taxonomie ist ein Teilgebiet der Biologie, welche die verwandtschaftlichen Beziehungen von Lebewesen in einem hierarchischen System erfasst. Ein Taxon ist in der Biologie eine Gruppe von Lebewesen, die sich durch gemeinsame Attribute beschreiben und von anderen Gruppen distinguieren. Die Aufstellung von Taxa ist die Grundlage für die Taxonomie, der wissenschaftlichen Gliederung der Organismen nach international festgelegten Nomenklaturregeln.
Auf der ganzen Welt denken Menschen über Pflanzen und Tiere in stark strukturierten Wegen nach, welche verbegrifflicht und versprachlicht werden um sie zu kommunizieren. Dabei schreibt Bertrand Russel dass nichts schwieriger sei, als die Unterscheidung zwischen einem Streit zwischen Begriffen und einem Streit zwischen Wörtern. Westliche biologische Theorien entstanden in dem man die Natur dekontextualisiert; man entnahm wasserabweisende Lilien, trocknete sie, vermaß diese, druckte und verglich sie mit andere Lebensformen. Somit wurden sie aus dem lokalen ökologischen System herausgerissen und damit auch aus dem Zusammenhang der sie erklären könnte.
Eine Ansicht ist, das die Folkbiology einen Kernbereich des menschlichen Denkens darstellt. Der Kernbereich ist eine semantische Idee, welche eine Erweiterung der angeborenen Kognitiven Module darstellt. Die universelle Taxonomie ist ein solches Kernmodul, welche eine angeborene determinierende kognitive Struktur, eine natürlich ausgewählte ontologische Notwendigkeit des menschlichen Denkens.
Der universelle Charakter der Folkbiology – Taxonomie kann in edr Kategoriebildung der Folkbiology kulturell unterschiedlich ausfallen . Diese kulturell unterschiedlichen Kategorien reflektieren die mental-voreingenommene Aufnahme der Umwelt zu bestimmen welche eine Kultur erst möglich machen. Dabei scheinen Ethnobiologische Taxonomien die stabilsten, die am weitest verbreiteten und die persistentesten kognitiven Strukturen zu sein. Zusammen mit der Gesellschaftsordnung und dem kosmischen System erscheint die Ethnobiologische Taxonomie als Grundlage für das Überleben der Kultur.
Die für Außenstehende als Willkürlichkeit empfundene Aufstellung von Kategoriesystemen zeigt Michel Foucault in seinem Werk Die Ordnung der Dinge auf. In seinem Beispiel aus einer chinesischen Enzyklopädie werden Tiere folgendermaßen aufgeteilt:
…dem Kaiser gehörige, einbalsamierte, gezähmte, Milchschweine, Sirenen, Fabeltiere, streunende Hunde, in diese Einteilung aufgenommene, die sich wie toll gebärden, unzählbare, mit feinstem Kamelhaarpinsel gezeichnete, und so weiter, die den Wasserkrug zerbrochen haben, die von weitem wie Fliegen aussehen…
Mit diesem Beispiel relativiert er den Absolutheitsanspruch hierarchischer Denkmuster der Taxonomie und Klassifikation.
Kategorisierung und Klassifikation
Wenn Gegenstände oder Prozesse gleicher oder ähnlicher Art mit dem gleichen Wort bezeichnet werden, spricht man von Kategorisierung. Kategorisierung ist ein Prozess der Klassifikation und der Gewohnheit. Die so entstanden Kategorien der Kognition mit gleichen oder ähnlichen Wörtern zu besetzen. Kategorisierungen spielen eine hervorragende Rolle bei kognitiven Operationen. Ohne diese Fähigkeit zu klassifizieren, also Gegenstände die wir als gleich oder ähnlich wahrnehmen mit gleichen oder ähnlichen Wörtern zu bezeichnen, wäre unser Alltag kaum zu bewältigen. Wir kategorisieren Gegenstände und sehen von allem ab was sie voneinander unterscheidet. Diese Fähigkeit zur Abstraktion befähigt notwendigerweise unser Sprechen. Frake behauptet die Menschen einer Kultur unterteilen die hochkomplexe Welt in Überschaubaren Einheiten (Kategorien). Diese Einheiten werden durch die Sprache vermittelt und in der Kultur festgelegt. Eine Kategorie ist nach Frake eine Gegenstandsmenge in die Objekte anhand einer begrenzten Anzahl von Eigenschaften eingeordnet werden. Die Kategorisierung oder Klassifikation bezeichnet dann die Auswahl und Aussonderung von Eigenschaften, die zur Simplifizierung der Umwelt nötig sind. Das sprachliche Zeichen muss als Verbindung dreier Korrelate verstanden werden. Diese sind der Kategoriename, das Kategoriekonzept und das Objekt. Der Kategoriename ist das gesprochene oder geschriebene Wort, das eine Sache, das Objekt, bezeichnet. Das Kategorienkonzept ist die Bedeutung des Kategoriennamens. Es repräsentiert das Objekt mental.
Rang und Taxa
Rang und Taxa sind verschiedene logische Ordnungen welche nicht verwechselt werden dürfen. Biologische Ränge sind Gruppen (z.B. Spezien, Familie, Reich / in engl. species, family, kingdom) zweiter Ordnung deren Elemente Erster Ordnung sind, z. B. Löwe, Katze, Tier) Ränge variieren je nach Kultur ein wenig, in Abhängigkeit von den Theorien oder Glaubenssystemen.
Deutsch | Latein bzw. Altgriechisch | Beispiel |
---|---|---|
Reich | Regnum | Vielzellige Tiere |
Abteilung / Stamm | Divisio / Phylum | Chordatiere |
Unterstamm | Subphylum | Wirbeltiere |
Klasse | Classis | Säugetiere |
Ordnung | Ordo | Raubtiere |
Überfamilie | Superfamilia | Katzenartige |
Familie | Familia | Katzen |
Unterfamilie | Subfamilia | Kleinkatzen |
Gattung | Genus | Altwelt-Wildkatzen |
Art | Species | Wildkatze |
Unterart | Subspecies | Hauskatze |
Ebenen der Ethnobiologischen Taxonomie
Folk Kingdom
Das Folk Kingdom ist die Grundlegendste Ebene der Taxonomie und repräsentiert auf der nicht-menschlichen die Basis der biologischen Welt. Beispielsweise gehören dazu die Begriffe wie z. B. Tier oder Pflanze.
Life Form
Life Form ist eine sehr allgemeine Kategorie für Pflanzen oder Tiere welche bestimmte Gemeinsamkeiten teilen. Die Mehrheit der Taxa tieferen Ranges fällt unter diese Kategorie. Die meiste Life Form – Taxa sind Erste Lexeme und besitzen Unterkategorien; Beispielsweise Baum, Wein, Busch, Fisch und Schlange. Diese Kategorie entwickelt sich bei Kindern sehr rasch. Beispielsweise werden Vierbeiner in eine andere Klasse gesteckt als Tier in der Luft oder der in der See. (Mandler, Bauer & McDonough 1991; Dougherty 1979 for American plants).
Generic Species
Der verwendete Begriff Generic Species korrespondiert häufig nicht mit der wissenschaftlichen Begrifflichkeit. Die verwendeten Begriffe sind häufig kurz und einfach. Kern jeder Folk Taxonomy ist der Rang einer Generic Species welche das zahlenmäßig größte Taxon in jedem ethnobiologischen System bildet. Die meisten Kulturen haben eine Kategorie von Life Forms aber alle haben eine Kategorie der Generic Species. Taxa des Generic Species Ranges fallen oft unter die der Life Form, aber manchmal gibt es Ausnahmen welche in keine bedeutendere Kategorie fallen. So sind diese Pflanzen und Tiere welche von besonderem kulturellem Interesse sind wie beispielsweise Kasuare, große flugunfähige Vögel aus Neuguinea von den Papuavölkern nicht den Vögeln zu geordnet. Nicht nur weil sie flugunfähig sind, sondern weil die Kasuare neben ihrem Nutzen als Fleisch- und Knochenlieferant eine wichtige spirituelle Rolle bei den Papua-Gemeinschaften spielen. Das Volk der Kalam hält Kasuare für Reinkarnationen der weiblichen Ahnen. Die kognitive Struktur der Folkbiology erläutert, dass die Generic Species als die bevorzugteste aller Ebenen der „Dinge“ der biologischen Welt ist.
Diese Generic Species ist eine Zusammenstellung kausal-zusammenhängender Organismen, welche eine gemeinsame vitalistische Struktur teilen und welche begründbar in Relationen stehen, aber in sich ausschließenden Gruppen unterteilt werden. Zusammenfassend erklärt bilden die Generic Species das Kernkonzept des Folkbiology-Modules.
Folk Specific
Auf der Ebene der Folk Specific gibt es viele Doppelbenennungen. Auch die Spezies ähnelt dem wissenschaftlichen Begriff der Spezies. Manche der Begriffe tendieren der besseren Erinnerung wegen, zur Umschreibung mit Attributen von Farbe, Aussehen und Nutzen. meistens den Spezialisten vorbehalten. Beispiel: Pudel, Korkeiche
Die Folk Specific Taxa ist in der Regel zweigliedrig aufgebaut mit zweiteren Fachausdrücken ( Lexemen).
Folk Varietal
Ob die Generic Species weiter differenziert wird oder nicht, hängt von ihrer kulturellen Bedeutung ab. Fallweise wird ein wichtiger Folk-spezifischer Taxon weiter in Folk-Varietal aufgeteilt, beispielsweise eine kurzhaarige Katze und ein langhaariges Katze. Varitetal (Varietäten) sind in der Regel dreigliedrig mit Dritten Lexemen aufgebaut, welche die taxonomische Beziehung mit den übergeordneten Folk Species und Generic Species veranschaulichen. Ein Beispiel ist die gefleckte Weißeiche. Fremde Organismen welche in unmittelbarer Umgebung eindringen werden den bestehenden als Generic Species der Folk Species –Taxa zugeordnet. Als Beispiel: Europäischen Kolonialisten benannten den Mais der Neuen Welt als „Indian corn“, ein Art Weizen darstellte. Gleichzeitig versahen die Mayas den Weizen der Alten Welt mit der Bezeichnung „Castillian maize, also „kastilischer Mais“. Nach einiger Zeit, als die eingedrungenen neuen Arten ihre distinkte Rolle in der lokalen Umgebung spielten, bekamen sie den Generic Species Status und wurden wie auch die meisten anderen der Generic Species mit einem einzigen Lexem bezeichnet. Z.B. der Begriff „maize“, der Mais fällt im American English nicht mehr unter den Begriff „corn“ also „Getreide“.
Itzaj Maya Folkbiological Taxonomy
Die Itzaj sind die letzten Native Maya Indians im tropischen Regenwald im Norden Guatemalas. Die spanische Eroberung 1697 führte zum Ende der letzten unabhängigen Maya Konföderation. Das kosmische System der Itzaj war zerstört worden, das ethnobotanische Wissen aber, inklusive seiner Taxonomie in der Praxis, überlebte. Die Ebenen der Ethnobiologischen Taxonomie nach Berlin finden sich auch in der Ausdrucksweise der Itzaj in der Maya Sprache. Es gibt zwar keinen gemeinsamen lexikalischen Eintrag für die Kategorie „Plant kingdom“, aber das Wort teek wird von allen für Pflanzen genutzt. Im Allgemeinen fallen Pflanzen unter sich ausschließenden Lebensformen wie che ´ (Bäume), pok~che‘ (Kräuter) ak´(Sträucher) und suúk (Gräser). Jede Life Form hat einen anderen „Stamm“. Weiterhin gelten bei den Itzaj Pilze nicht zu den Pflanzen. Pilze (xikin~che – „Baumohren“) sind herzlos und rauben Bäumen das Leben. Moose und Flechten gelten ebenfalls nicht als Pflanzen, nicht mal als Lebewesen. In der Sprache der Itzaj verhält sich der Begriff der Tiere (b’a’al~che‘ – „Waldding“) polysemantisch: Erstens umfasst er das ganze Tierreich (inklusive der Wirbellosen, Fische und Vögel), zweitens aber wird er restriktiver auf alle Vierbeiner angewandt, und drittens und noch spezieller auf alle Säugetiere. Vögel (ch’iich) und Fische (käy) weisen dieselben internen Strukturen welche Parallelen zu den unbenannten Säugetieren und Reptilien und Amphibien aufweisen.
Wie die Life form – Kategorie der Wirbellosen auch (mejen+b’a’al~che‘ – Kleintiere), bilden die Amphibien- und Reptilienarten eine sogenannte Restlebensform welche nicht konzeptionell in die Bioökonomie eingeordnet werden. Dies stellt einen Gegensatz zu anderen Kategorien wie den Pflanzen dar, welche ihre obligatorischen Rollen innehaben. Vögel und Bäume werden der Luft und den höheren Stockwerken des Waldes zugeordnet (Ik`), Säugetiere und Kräuter, dem Boden des Waldes, Sträucher in die „Mitte“ der Etage des Waldes, Gräser aufs offene Land, Fisch im Wasser (ja´). Diese Etagen oder Zonen sind nach dessen Verständnis durchlässig und überwindbar und kein starres Korsett der Zugehörigkeit. Sowie die Life Form-Taxa auch werden Generic Species gewöhnlich mit Ersteren Lexemen benannt. Fallen Spatzen einer unbenannten Krankheit zum Opfer, nehmen amerikanische Studenten an, dass eher Rotkehlchen (welche ihnen ähneln) diese Krankheiten bekämen als beispielsweise Fasane. Die Itzaj Maya gaben in den Interviews ähnliche Antworten, jedoch mit Begründungen die sich sehr stark von den amerikanischen Studenten unterschieden. Besonders in Hinsicht von ihrem spezifischen ökologischen Wissen und weniger mit der Begründung von Ähnlichkeit aus, argumentierten die Itzaj. Die Begründungen lauteten in diesem Beispiel, dass Spatzen und Rotkehlchen dieselben Insekten fressen und sie deshalb dieselben Krankheiten bekommen könnten. Amerikanische Studenten die am Anfang ihres Studiums sind können in der Regel so nicht argumentieren, ihnen fehlt meist das ökologische Wissen.
Zusammenfassung
Die einheitliche Struktur des taxonomischen Wissens, welche unter verschiedenen soziokulturellen Bedingungen erlernt werden, ist wohl das Ergebnis wissens-spezifischer kognitiver Prozesse, welche panhuman existieren, wobei kulturelle Faktoren deren Entwicklung (Richtung und Ausmaß) und Entfaltung (Absicht und Zweck) möglicherweise beeinflussen.
In keinem anderen kognitiven Bereich ist die Grundlagenforschung so klar und deutlich. Weiterhin hat kein anderer kognitiver Bereich eine so induktiv systematischen Rangliste hervorgebracht, welche Schussfolgerung über natürlichen Beziehungen geliefert hat. Mit diesem universellen Framework entwickeln Menschen variablere und spezifischere Kausalitäten über das Wissen der Taxa und verbinden diese untereinander.
Dies versetzt Menschen in die Lage die zukünftige Ereignisse in ihrer Umgebung zu interpretieren der Relevanz nach, richtig einzuordnen und zu deuten. Aus der wissenschaftlichen Sicht sind „Folkbiological“ – Konzepte weitestgehend inadäquat um die evolutionären Beziehungen der Arten untereinander über lange Zeit- und Lebensräume zu erklären.
Dies bedeutet nicht dass die Folk Taxonomy besser oder schlechter geeignet ist biologische Theorien zu erklären oder leichter verständlich zu machen. Diese „Commonsense“ –Biologie hat unter Umständen eine andere Relevanz als die wissenschaftliche Biologie. Sie ist modernen Gesellschaften ebenso anzutreffen, wenn auch stark von der Wissenschaft geprägt, wie auch in traditionellen Gesellschaften.