Geht hacken! Warum Hacking nur als Subversion taugt

Ein Hacker verändert ein Gerät oder Programm so, dass es entweder sich selbst beschädigt, die Benutzer bewusst behindert, oder es für Nicht-Eigentümer nutzbar macht.

Dies ist eine wichtige Einstellung gegenüber Systemen, die psychologische, politische und ökonomische Hürden errichten. Bei komplexen Systemen wie Computern, Finanzwegen oder Verkehrssystemen liegt die politische Spaltung oft zwischen gut organisierten Insidern und isolierten Außenstehenden. Hacker hinterfragen diese Trennung, indem sie entweder Sicherheitsmaßnahmen umgehen oder die Nutzungsrechte neu definieren. Dies kann als Form der Umverteilung gesehen werden.

Ein Fabrikbesitzer kann eine Maschine bauen, um seine Macht zu vergrößern. Während ein Maschinenstürmer sie zerstören würde, würde ein Hacker sie so umprogrammieren, dass sie entweder nicht mehr funktioniert oder auch von Unbefugten genutzt werden kann. Die Ethik eines Hackers kombiniert Neugier, Widerstandsgeist und Innovation innerhalb bestehender Systeme und entsteht aus dem Zusammenspiel dieser Aspekte.

Großflächige Infrastrukturen, die von einer technokratischen Elite beherrscht werden, wecken fast unweigerlich das Interesse derjenigen, die ein Verständnis für deren Funktionen besitzen, Grenzen austesten wollen und offenen Zugang befürworten. Hacker sind überzeugt, dass man durch das Zerlegen und Verstehen von Systemen lernen und dieses Wissen nutzen kann, um Neues und Faszinierenderes zu schaffen. Diese Philosophie hat sich im digitalen Zeitalter, besonders im Internet, manifestiert – einem Netzwerk von Computern, das über eine physische Telekommunikationsinfrastruktur verbunden ist. Das Internet bietet theoretisch freien Informationszugang und die Möglichkeit zur Selbstbestückung für Computerbesitzer, wird aber auch für Unternehmensmonopole und staatliche Überwachung genutzt. Bekannte Beispiele moderner Hacker sind Gruppen wie Anonymous und Wikileaks, die Privatsphäre fördern und Macht transparent machen wollen.

Diese Dynamik beschränkt sich nicht auf das Internet, sondern findet sich in vielen Lebensbereichen wieder. Zum Beispiel diejenigen, die die Kontrollsysteme des öffentlichen Verkehrs unterlaufen, mögen sich nicht als Hacker sehen, aber ihre Handlungen spiegeln eine ähnliche Ethik wider.

Hackeraktivitäten stellen eine Sammlung kleiner Rebellionen dar, die individuell und oft kreativ verdeckt sind, um Vergeltung zu vermeiden. Hacking ist tief in der menschlichen Natur verwurzelt, ähnlich dem Ungehorsam. Heute jedoch scheint Hacking selbst ‚gehackt‘ zu werden. Trotz der anonymen Natur von Gruppen wie Anonymous steht im Zentrum der Archetyp des individuellen Hackers, der ein selbstbestimmtes Leben anstrebt, oft als Außenseiter.

Es wäre jedoch vereinfachend, dieses Bild zu generalisieren. Viele Menschen, vom Hobbybastler bis zum investigativen Journalisten, können sich mit dem Hacker-Ethos identifizieren.

Diese Konstellation führt zu einer dynamischen Opposition: engagierte Aktivisten gegen festgefahrene Wirtschaftsinteressen. Beide Gruppen definieren sich gegeneinander und verharren oft in einer Pattsituation. Aktivisten fühlen sich manchmal entmutigt und beklagen ihre Ohnmacht gegenüber dem System, während sie eine Identität auf Basis eines resignierten Märtyrertums und solidarischen Verbundenseins mit Gleichgesinnten aufbauen.

Der Hacker-Archetyp übt eine gewisse Faszination aus, da er, im Gegensatz zu dem geradlinigen Aktivisten, der in klarem Widerspruch zu bestehenden Systemen steht, indirekte Wege geht. Hacker operieren in einer Grauzone und meistern die Kunst, vorgegebene Grenzen zu überschreiten, einschließlich ideologischer Fronten. Sie sind wie Trickster, subversiv und schwer zu greifen. Kontrovers ist, dass der Hackergeist nicht unbedingt auf ein spezifisches reformistisches Ziel fixiert ist, sondern vielmehr eine Lebensweise darstellt, eine Haltung der Welt gegenüber.

Als Beispiel dient die Subkultur der Urban Explorers, die Bradley Garrett in seinem Buch „Explore Everything: Place-Hacking the City“ (2013) beschrieben hat. Die Faszination, ungewöhnliche Wege zu gehen, etwa durch eine Kanalisation, liegt darin, dass man sich von seiner Neugier in Bereiche führen lässt, in die man eigentlich nicht gehört. Es ist ein Akt der individuellen Abgrenzung von sozialen Normen. Das Ergebnis solcher Erkundungen ist praktisches Wissen, das Durchbrechen konventioneller Denkmuster und eine gewisse Entfremdung, da man einen Blick hinter die alltäglichen Fassaden wirft und so der sozialen Realität näherkommt.

In der Popkultur folgen Darstellungen des Hackers oft dem Bild, das Levy vorgab. Neal Stephenson porträtierte in seinem Cyberpunk-Roman „Snow Crash“ (1992) den Code-Schreiber Hiro als letzten freiberuflichen Hacker. Der Film „Hackers“ (1995) zeigte eine Gruppe jugendlicher Computer-Ninjas. Diese Medien-Stereotypen prägten das Bild des frühreifen Computerwunders, das Technologie nutzt, um Kontrolle auszuüben oder Konflikte zu führen – ein Bild, das bis heute anhält. Im James-Bond-Film „Skyfall“ (2012) wird Q als junger Hacker dargestellt, der nahezu übermenschlich Codezeilen steuert. Die Sensationspresse hat das Hacken oft mit dem illegalen Knacken von Computersicherheit gleichgesetzt.

Computer und insbesondere das Internet sind für viele zum Grundpfeiler ihrer Existenz geworden. Dies steigert verständlicherweise die Sorgen um das Bild des kriminellen Hackers – jenes finsteren Gesellen, der Sicherheitssysteme durchbricht, um Diebstahl und Chaos zu verbreiten. Doch abseits dieser Ängste zeigt sich in Hackerspaces, FabLabs und Open-Source-Gemeinschaften weltweit, dass das eigentliche Hacker-Ethos weniger im Einbrechen in Systeme als vielmehr im Erkunden jenseits konventioneller Grenzen liegt. Sensationsmedien tendieren dazu, das Hacken fälschlicherweise nur mit illegalen Aktivitäten gleichzusetzen. Diese Reduktion auf ein einzelnes negatives Element verkennt den wahren Geist des Hackens.

In einer von moralischer Panik geprägten Sichtweise werden Hacker als digitale Angreifer dargestellt, deren Hauptmerkmale Aggression und Amoralität zu sein scheinen. Wie kann man sich gegen sie schützen? Die Antwort darauf scheint eine neue Klasse von ‚White-Hat‘-Hackern zu sein, die als virtuose Beschützer im Dienste des Gemeinwohls agieren.

Dies führt zu einer zweiten Verzerrung. Das Bild des ‚guten Hackers‘ hat sich in der technologiegetriebenen Welt als nützlich erwiesen, in der eine innovationsgetriebene Industrie floriert. Im Silicon Valley und ähnlichen Technologiezentren wird der rebellische Geist paradoxerweise durch die Gentrifizierung herausgefordert.

Gentrifizierung glättet die rauen Kanten von als bedrohlich wahrgenommenen Phänomenen und wandelt sie in kommerziell verwertbare Formen um. So wird etwas Ursprüngliches – sei es eine raue Gegend, lokale Traditionen oder Nischenverhalten wie Parkour – seiner Einzigartigkeit beraubt und für den Mainstream-Geschmack aufbereitet. In diesem Prozess werden die ansprechenden, harmlosen Aspekte einer Kultur isoliert und hervorgehoben, während die störenden oder beunruhigenden Teile abgeschliffen werden.

Jeder Gentrifizierungsprozess wird durch eine Abfolge von Pioniergruppen angetrieben, die stufenweise das wahrgenommene Risiko einer bestimmten Sache verringern. Bei der Gentrifizierung von Wohnraum beginnt dies oft mit Künstlern und Personen, die sich vom Mainstream distanziert haben und in vernachlässigte Gegenden ziehen. Trotz ihres gegenkulturellen Verhaltens bringen sie dennoch Merkmale der dominanten Kultur mit sich – sei es durch ihre ethnische Zugehörigkeit oder ihren Geschmack für hochwertigen Kaffee. Dies legt den Grundstein für die Entstehung neuer Märkte. Ein WiFi-Café neben dem somalischen Gemeindezentrum signalisiert zurück an den Mainstream, dass die Gegend nun weniger fremd ist.

Wiederholt sich dieser Vorgang genug, so verflüchtigt sich nach und nach das Gefühl der Bedrohung, das zuvor Investoren und gut betuchte Käufer ferngehalten hat. Plötzlich erreicht man den Wendepunkt: Durch viele einzelne, unkoordinierte Handlungen wird das einst Exotische in einen sicheren Rahmen überführt – interessant und anziehend, aber nicht mehr gefährlich. Es wird zu einem Gegenstand ungezwungener Neugier, ähnlich wie ein Tiger, der zuerst in einem Zoo, dann in einem Bild und schließlich in einem Kleidungsstück für Cocktailpartys domestiziert wird. ‚Gentrifiziert‘ fühlt sich etwas an, wenn diese oberflächliche Tigerästhetik die echte, gelebte Erfahrung des Tigers ersetzt.

Dieses Phänomen beschränkt sich nicht auf Immobilien. In den Kosmetikgeschäften der Oxford Street in London werden Produkte verkauft, die mit Bildern der Mutter Erde versehen sind – Symbole von Erdkulturen auf Produkten zur Neutralisierung körperlicher Prozesse, gründlich von jedem subversiven Kontext befreit.

An der Schwelle zur Gentrifizierung stehen ganze Lebensweisen, Subkulturen und Ansichten, die ursprünglich rebellisch waren. Rap-Musik etwa hat sich von ihren Wurzeln in den Ghettos zu einer von der weißen Mehrheit akzeptierten ’sicheren‘ Kultur entwickelt. Gentrifizierung ermöglicht es Menschen in Machtpositionen, Praktiken zu übernehmen, die ursprünglich als Widerstand gegen das von ihnen Vertretene entstanden sind, ohne in einen Konflikt zu geraten.

Aktuell erleben wir die Gentrifizierung der Hackerkultur. Der einst gegenkulturelle Schelm wurde in den Dienst der etablierten Tech-Unternehmerklasse überführt. Dieser Prozess begann unschuldig, mit einer Verbindung der Hackerethik zu Startups, die vielleicht noch von einem authentischen gegenkulturellen Antrieb geprägt war. Aber wie bei jeder Gentrifizierung führt die Ankunft immer weniger unzufriedener Individuen dazu, dass die Szene nach und nach die harmlosen Aspekte des Hackens über die subversiven stellt.

Silicon Valley hat sich zu einem Hotspot für hochqualifizierte und technisch versierte Personen entwickelt, die sich als innovative Rebellen gegen traditionelle Geschäftsmodelle positionieren. Gleichzeitig ist es ein Zentrum des Risikokapitals. Startups in diesem Umfeld streben danach, Netzwerkmonopole ähnlich denen von Facebook und Google zu errichten, mit dem Ziel, beträchtliche Gewinne für Gründer, Investoren und potenzielle Käufer zu generieren.

Die Umdeutung des Startup-Gründers zum Hacker ist Teil eines in Silicon Valley aufkommenden Doppeldenkens. Eigenschaften wie Neugier, Innovationsgeist und die Bereitschaft zu experimentieren werden in diesem wirtschaftlichen Rahmen als Tugenden gefeiert, und die Hackerethik bietet einen ansprechenden Kontext für die Selbstinszenierung. Die Werte des Empowerments und der cleveren Lösungsfindung ähneln zunehmend den Merkmalen eines Entrepreneurs. In diesem Kontext wird die Hacker-Mentalität zu einer Art spielerischem Wettbewerb umgestaltet: erfolgsorientierte Innovatoren, die bestehende Marktstrukturen aufmischen wollen.

Die Definition von „Hacken“ in der aufstrebenden Tech-Branche ähnelt somit einer unkonventionellen, aber zielorientierten Innovation durch optimistische Unternehmer, die pragmatische Problemlösungen anstreben. Diese sanftere Interpretation des Hackens dient nicht nur als ansprechende persönliche Erzählung, sondern auch als geschäftsfördernde Imagepflege, die Silicon Valley von der aggressiveren Atmosphäre der Wall Street abhebt und im Wettbewerb um Absolventen punkten lässt.

Die überarbeitete Definition des Gründers als Hacker spiegelt ein neues doppeltes Denken wider: Start-ups präsentieren sich als „Underdogs“, sind sich aber der Macht und des Reichtums bewusst, die die Tech-Industrie auf kollektiver Ebene innehat. Dadurch verschwinden die kritischen Konnotationen des Hackens allmählich. Die Vorstellung, dass ein Hacker eine Machtposition innehaben kann, wird durch Beispiele wie Google untermauert, das eine lockere „Hacker“-Kultur pflegt, während es gleichzeitig eine umfassende Agenda zur Netzwerkkontrolle verfolgt.

Das Konzept des Doppeldenkens findet sich auch in der Mainstream-Unternehmenskultur wieder, insbesondere in der zunehmenden Beliebtheit von unternehmerischen Hackathons. Große Finanzunternehmen wie Barclays veranstalten in Foren wie dem FinTech Innovation Lab in London Start-up-Beschleuniger und Wettbewerbe zur Förderung der Finanztechnologie, offiziell, um die Zukunft des Finanzsektors zu formen – oder zumindest um innovative Zahlungslösungen zu identifizieren, die übernommen werden könnten. In diesem Rahmen wird die Hackerethik entleert und in den Solutionismus integriert, ein Begriff von dem Technologiekritiker Evgeny Morozov. Solutionismus sieht die Welt der Technik als eine Sammlung von Problemen, die auf (profitable) Lösungen warten.

Diese Art von Gentrifizierung wird zu einem Kampf um Begriffe. Wenn genügend Neulinge mit Einfluss eine verdünnte Interpretation eines Begriffs benutzen, verliert dieser an Schärfe und wird zu einer Floskel, die es versäumt, ansonsten normative Ansätze zu hinterfragen. Und so kann es passieren, dass ein ambitionierter Absolvent von Stanford eine Visitenkarte überreicht, auf der ohne einen Hauch von Ironie steht: „Gründer. Investor. Hacker.“

Mit jedem Gentrifizierungsprozess ergeben sich zwei Wege: Entweder man überlässt das Feld den etablierten Kräften und sucht sich neue unberührte Gebiete, oder man versucht, den Zyklus zu durchbrechen, sich gegen die kommerzielle Vereinnahmung zu wehren und Proteste gegen die etablierte Ordnung zu organisieren.

Ob man sich dafür einsetzt, hängt von der persönlichen Wertschätzung ab. Communities, die von Gentrifizierung betroffen sind, organisieren oft wirkungsvollen Widerstand, aber wer setzt sich für die Bewahrung der Hackerethik ein? Für einige ist die Idee des Hackens bereits nichtig und leer, ein Akt des individualistischen Selbsthilfeimpulses, keine echte politische Bewegung. Warum also sollte es von Bedeutung sein, ob sie gentrifiziert wird?

Hier treffen wir auf eine Ironie: Gentrifizierung ist ein Prozess der Domestizierung, der das Wilde zähmt, während das Hacken darin besteht, die strukturierten Regeln von Systemen wieder zu verflüssigen und zu verwildern. Wo Gentrifizierung versucht, sichere Grenzen um Konzepte zu errichten, da strebt der Hackerimpuls danach, diese zu durchbrechen oder neu zu definieren. Diese sind zwei gegenläufige Bewegungen innerhalb der menschlichen Zivilisation. Die Gentrifizierung des Hackens ist in gewisser Weise selbst ein cleverer Hack.

Möglicherweise habe ich das Hacken idealisiert. Vielleicht gab es das Hacken nie in einer unverdorbenen Form, die der Gentrifizierung hätte anheimfallen können. Vielleicht war es immer schon ein Teil der kapitalistischen Kommodifizierungsprozesse, wo Stoffe aufgelöst und dann in neuer Ordnung zusammengesetzt werden. Vielleicht sind Hacker, ähnlich wie desillusionierte Künstler und Hipster, einfach Vorboten, die beauftragt sind, die nächsten gewinnbringenden Märkte zu erkennen. Hacken könnte von jeher ein widersprüchliches Gemisch sein, das die Faszination für das Unstetige und Ungewöhnliche mit einer Neigung zur Ordnung und Geradlinigkeit vereint. In der Tat scheint in den gängigen Darstellungen des Hackens, sei es in krimineller oder in Silicon Valley-Manier, ein Hang zur Kontrolle durchzuschimmern: der Elite-Programmierer oder Unternehmer, der am Steuerpult sitzt und auf geheimnisvolle oder „magische“ Weise die Welt manipuliert.

Ich behaupte, dass der wahre Geist des Hackens nicht in gewinnorientierten Unternehmen wie Google zu finden ist. Hacken sollte nicht auf das Redesign von Produkten oder das Finden von Lösungen beschränkt sein. Ein Hack, der sich nicht gegen Konventionen stellt, ist kein echter Hack, sondern lediglich eine Form der Geschäftsinnovation.

Der unverfälschte Geist des Hackens gehört zum Gemeingut und sollte allen zugänglich sein. Dieser Geist lebt in den Rändern unserer Gesellschaft. Er findet sich in Formen der Peer-Produktion und der Do-it-yourself-Kultur, in FabLabs und urbanen Gärten. Er zeigt sich in der Ausbreitung offener Bewegungen, von Open-Source-Hardware bis hin zu Open-Source-Biotechnologie, und in der Faszination für 3D-Drucker als Mittel, um Open-Source-Designs in die Produktion zu überführen. In einer Welt, die zunehmend von großen und unkontrollierbaren Wirtschaftsinstitutionen dominiert wird, sind solche Formen des alltäglichen Widerstands essenziell. Hacken ist in meiner Vorstellung eine Möglichkeit, den Ketten des Profitdenkens zu entkommen, nicht ein Pfad zu ihm.

Damian Paderta
Damian Paderta
Webgeograph & Digitalberater