Gestatten: Der Webbestatter

Sterben ist bekanntlich das was jeder als Letztes tut. Doch vielen Menschen erscheint diese existenziell Feststellung unzureichend. Daher entwickeln sie Rituale, die sich mit Sterben und Tod intensiver auseinandersetzen. Diese existieren in allen Gesellschaften. Mir geht es aber in diesem Zusammenhang um etwas weitaus harmloseres: Den Tod von Webseiten. Der Gang offline ist ein Thema, das viele WebseitenbetreiberInnen lieber nicht ansprechen wollen. Etwas philosophischer ausgedrückt: Online und Offline sind untrennbar miteinander verbunden. Aber warum lohnt sich ein Blick auf den Schlussakkord eines Webseitenlebens?

Webseitenfriedhöfe

Archive.org ist ein Friedhof für Webseiten – dadurch dass bis auf den Text so gut wie nichts anderes automatisch archiviert wird, gleicht dieses bedeutende und äußerst wertvolle Archiv eher einer Nekropole als einer Geburtstätte für neue Webinhalte.

Auch Facebook wird alt. Nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Nutzer*innen und damit steigt auch die Sterberate der Plattform. Falls es Facebook nicht schafft, junge Nutzer*innen anzuziehen, wird es nach Schätzungen bereits im Jahr 2025 mehr Tote als Lebende Profilnutzer geben. Um Facebook oder ähnliche Datensilos soll es hier nicht gehen, sondern um die selbst gehostete Webseite, auf die man den kompletten Zugriff hat.

Und wenn ein Webseite geht, ist es die Aufgabe der WebseitenbetreiberInnen, mit einer würdevollen, individuellen Bestattung ein Zeichen der Würdigung zu setzen. Aufgabe des Webbestatters, die Webseitenbetreiber*innen auf der schweren Wegstrecke bis zum Tag an dem die Webseiten online geht, etwas zu entlasten:

„Mit der gebotenen Sensibilität kümmern wir uns um Formales und Organisatorisches, wo immer es möglich ist. Damit für die WebseitenbetreiberInnen Trauer und Erinnerung ganz im Vordergrund stehen.“

Ausbruch aus dem Daten-Nirwana

Die Idee kam mir bei einem Barcamp in einer Session. Mir fiel auf, das viele Webseiten nur ein Strohfeuer darstellen. In kürzester Zeit verschlingen sie viele Ressourcen, um später mangels eben dieser Ressourcen wieder sang- und klanglos ins Daten-Nirwana zu verschwinden. Daten-Nirwana…mit der biologischen Analogie eine „Ökosystems“ von Daten sollte es genau das nicht geben: ein Datennirwana. Nach der buddhistischen Lehre bedeutet Nirwana den Austritt aus dem ewigen Kreislauf (Samsara). Und wenn es diesen Austritt aus gutem Grund geben sollte, dann könnte dieser Abgesang auf das Webseite samt ihrer Inhalte in besondere Weise kommuniziert werden.webbestatter

Likbränning – Feuerbestattung

Die Toten der Wikinger wurden auf Bestattungsschiffe offenen Meer verbrannt. Die Auferstehungshoffnung der späteren Christen ließ sich mit der Kremation nicht vereinbaren und wurde von der Erdbestattung abgelöst. Sowie die Beerdigung für die Hinterbliebenen arrangiert wird, so profitiert auch das Organ welche die Totenfeier postuliert von der Beerdigung, sprich: es erhält eine besondere Aufmerksamkeit. Wie bei allen Marketing schleift sich auch dieses Schwert irgendwann ab, falls es überhaupt eins war. Ein Strategie, die jede Offlineschaltung uneigenständige Webseite mit großem Tam-Tam bejubelt nutzt sich ab und wird schnell als das entlarvt was sie eigentlich ist: Effekthascherei.

Samsara – Wiedergeburt von Daten

Mit Daten sind auch und vor allem digitalisierte Medieninhalte gemeint. Weil diese im Prinzip auch Daten sind, möchte ich sie alle unter dem Begriff von „Daten“ zusammenfassen.

Platz machen im unendlichen Raum

Es ist eine banale Feststellung zu behaupten, im Netz oder auf allen gegenwärtigen und zukünftig geschaffenen Datenträger wäre genug Platz für alle geschaffenen Informationszusammenhänge. Drastisch formuliert ist jedes vom Menschen geschaffen Werk eine Vorwegnahme einer Chance für die Nachfolgenden die im Nachteil der späten Geburt oder Eingebung sind. Das Löschen einer Idee oder eines Werkes.

Damian Paderta
Damian Paderta
Webgeograph & Digitalberater