Konsumkritik

Die Befürchtung, im Westen zu verschwenderisch zu leben, ist ein altbekanntes Phänomen. Diese Angst ist tief in unserer Geschichte verwurzelt, denn schon seit über zwei Jahrtausenden grübeln wir darüber, ob Wohlstand seinen Preis fordert. Überraschenderweise sind diese Bedenken nach wie vor präsent. Obwohl der Konsum über die ersten Jahrtausende unserer Existenz nur sehr langsam zunahm, hat die Industrialisierung in den letzten 200 Jahren zu einem nie dagewesenen Wohlstandswachstum im Westen geführt, welches in den 50er und 60er Jahren seinen Höhepunkt erreichte. Dennoch blieb die erwartete ‘Bestrafung’ für unseren Wohlstand aus. Vielmehr resultierte dieser für die meisten Menschen im Westen in einer Verlängerung der Lebensdauer und einer Steigerung des Lebenskomforts.

Die Ungleichverteilung des wachsenden Reichtums stellt womöglich eines der gravierendsten sozioökonomischen Probleme unserer Zeit dar. Die Kluft zwischen Arm und Reich manifestiert sich deutlich im Konsumverhalten – nicht nur durch den Überkonsum der Oberschicht als durch die zunehmende Not am unteren Ende der Gesellschaftsskala. Sollte eine Umverteilung angestrebt werden, um diese Disparität zu verringern, müsste man sich mit der Möglichkeit eines gesteigerten Gesamtkonsums auseinandersetzen. Das ist nicht zwangsläufig negativ, wenn politische Entscheidungsträger die historisch verwurzelte Konsumkritik einbeziehen und verstehen, die fast so alt ist wie die Zivilisation des Westens selbst.

Anfänge der Konsumkritik

Schon in der jüdisch-christlichen Überlieferung finden wir die ersten und einflussreichsten Kritiken des Konsums. Oft als Strafe für sexuelle Vergehen interpretiert, betont der US-Theologe Stephen Long, dass die Untaten von Sodom und Gomorra tatsächlich eher wirtschaftliche Vergehen als sexuelle Verfehlungen waren. Der Luxus verhinderte, dass die Menschen die erwartete selbstlose Gastfreundschaft und Liebe gegenüber dem Nächsten zeigten.

Im Neuen Testament kommt das Thema wieder zum Tragen. Jesus nutzte das Bild eines Kamels, das durch das Auge einer Nadel geht, um vor den Gefahren des Reichtums zu warnen. Er empfahl, den Weg zum Paradies durch einen radikalen Verzicht auf materielle Güter zu finden.

Konsumkritik während der Aufklärung

Im 18. Jahrhundert präsentierte Jean-Jacques Rousseau eine säkulare Kritik am Konsum, die unabhängig von religiösen Überzeugungen stand. Er reflektierte die zunehmende Konsumentenkultur seiner Epoche. In seinem Diskurs aus dem Jahr 1750 kritisierte er, dass in einer von Handel geprägten Gesellschaft der Erwerb und das Ansehen zu den Hauptantriebskräften wurden und aufrichtige Emotionen und Überzeugungen in den Hintergrund rückten. Menschen strebten danach, sich auf der Leiter des Reichtums und Prestiges emporzuarbeiten, was zu einem Verlust der moralischen Integrität führte. Authentizität ging verloren, da das Leben zunehmend von den Erwartungen anderer bestimmt wurde.

David Hume und weitere Befürworter der Handelsgesellschaft des 18. Jahrhunderts erkannten zwar, dass die Begeisterung für den Konsum echte menschliche Emotionen und Impulse dämpfte, sahen darin aber keine notwendige Korrumpierung. Sie argumentierten, dass das aufkommende Handelssystem Verhaltensweisen förderte, die mit einem friedvollen Miteinander kompatibel waren. Anstatt Neid oder Gier mit Gewalt zu begegnen, würden die Menschen in einer Handelsgesellschaft dazu erzogen, durch eigene Anstrengung zu erreichen, was sie begehrten, oder sich im reflektierten Ruhm des Wohlstands anderer zu sonnen. Trotz der Vernachlässigung authentischer Gefühle, argumentierten sie, führte dies zu weniger Konflikten als in vergangenen, ‘authentischeren’ Zeiten.

Jedoch wurde dieses Argument durch die Schattenseiten des Handels – Kolonialismus, Sklaverei und die Verarmung der Arbeiterklasse –, die Europa über die ganze Welt verbreitete, infrage gestellt. Die zivilisatorischen Vorteile des Handels waren nicht unumstritten, und Rousseaus Bedenken gegenüber den moralischen Kosten der Konsumgesellschaft blieben bestehen.

Konsumkritik während der Industrialisierung

Während der Industrialisierung entstand eine neue Kritik am Konsumverhalten. Thomas Malthus legte 1798 dar, dass unbegrenzter Verbrauch zu einem trostlosen Dasein führen könnte. Er prophezeite, dass ein explosionsartiges Bevölkerungswachstum gepaart mit begrenzten Ressourcen wie Ackerland letztlich zu einem Kollaps führen würde. Hungersnöte würden die Bevölkerungszahlen zwar regulieren, doch glaubte er, dass die unteren Schichten der Gesellschaft aufgrund ihres starken Fortpflanzungstriebs stets am Existenzminimum verharren würden.

Trotz der scheinbaren Unumstößlichkeit von Malthus’ mathematischen Modellen blieben seine düsteren Vorhersagen aus. Dank des technologischen Fortschritts leben wir nicht in dem Elend, das Malthus vorhersah. Technologien ermöglichten eine effizientere Nutzung und Erschließung von Ressourcen, was zu einer erheblichen Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge und der Nutzung neuer Energiequellen führte, die zu Malthus’ Zeiten unbekannt waren.

Konsumkritik nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen der westlichen Welt durch die Konsumgüterrevolution Fernseher, Kühlschränke, Autos und Flugreisen zugute, was eine neue Welle der Konsumkritik entfachte.

Der Bericht “The Limits to Growth”, veröffentlicht 1972 vom Club of Rome, sorgte für eine Renaissance malthusianischer Gedanken. Dieses Dokument warnte, dass ein anhaltendes Bevölkerungswachstum und der damit verbundene Konsum zu einem exzessiven Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung und letztlich zum ökologischen Kollaps führen könnten. Dies trug wesentlich zum Aufkommen grüner politischer Bewegungen bei. Jahrzehnte später, im Jahr 2012, wiederholte der Zukunftsforscher Jørgen Randers, einer der Mitverfasser des Originalberichts, diese düsteren Prognosen für das Jahr 2052. Er blieb bei der These, dass Wachstum von Bevölkerung und Konsum zu Klimawandel und Umweltschäden führen würde, die das Leben auf der Erde letztendlich beeinträchtigen könnten.

In den 70er Jahren erlebte die Kritik an den sozialen und psychologischen Aspekten des Konsums, wie sie einst von Rousseau geäußert wurde, eine Renaissance. Der deutsche Psychoanalytiker Erich Fromm stellte in seinem wegweisenden Werk “Haben oder Sein” (1976) eine Wahl vor: ein sinnvolles Leben, das aus echter Lebensfreude schöpft, gegenüber einem Dasein, das sich um den Erwerb materieller Güter dreht. Während das erstere auf Kooperation und harmonisches Miteinander abzielt, führt das letztere zu rücksichtslosem Wettbewerb und dem Streben, andere zu übertrumpfen. Fromm argumentierte, dass das permanente Verlangen nach materiellem Mehr uns tatsächliche Erfüllung unerreichbar macht. Konsum, so verwerflich er auch scheinen mag, treibt dennoch den Handel an und hat zu einem unvergleichlichen Wohlstand geführt.

Politische Konsumkritik und Konsumgesellschaft

Diese Diskussion führte auch zu einer politischen Konsumkritik, vertreten durch den slowenischen Philosophen Slavoj Žižek und andere. Žižek hinterfragt den Versuch der Konsumenten, durch bewussten Einkauf, wie den von Bio-Produkten oder Fair-Trade-Gütern, moralisch zu handeln. Er argumentiert, dass die Macht der Verbraucher begrenzt ist und echter Wandel nur durch gemeinsames politisches Engagement erreicht werden kann. Der Glaube an die Macht des Konsumenten lenkt, laut Žižek, von der Notwendigkeit echten politischen Handelns ab. Fromm würde sagen, dass die Obsession mit Besitz uns davon abhält, uns tiefergehenden Fragen zu stellen, wer wir als Individuen und als Gemeinschaft sein wollen.

Obwohl verschiedene kritische Stimmen zur Konsumgesellschaft intellektuell überzeugend sein mögen, wurden sie oft von den wirtschaftlichen Erfolgen des industriellen Kapitalismus überlagert. Der niederländische Philosoph Bernard Mandeville argumentierte bereits 1714 in “The Fable of the Bees: Or, Private Vices, Publick Benefits”, dass der Konsum, auch wenn er als unmoralisch betrachtet werden könnte, dennoch den Handel antreibt und zu enormem Wohlstand führt. Aufklärer wie Voltaire verteidigten diese Sichtweise, die öffentliche Vorteile des Konsums gegenüber privaten Lastern betont. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen gewinnt das Argument, dass Konsumsteigerung zur wirtschaftlichen Erholung beitragen kann, an Bedeutung, auch wenn dies bedeutet, moralische und ökologische Bedenken beiseite zu schieben.

Konsumkritk im Zusammenhang von Wirtschaftspolitik

Die geringe Verbrauchernachfrage wird zunehmend als eine der Ursachen für die Finanzkrise von 2008 angesehen, die zur anhaltenden wirtschaftlichen Flaute beiträgt. Nach dem Zusammenbruch wurden Rettungsaktionen für Banken und Konjunkturprogramme aufgelegt, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Mit der Zeit und steigender Staatsverschuldung wechselte der politische Kurs jedoch hin zu Austeritätsmaßnahmen. Ökonomen wie Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff empfahlen Wachstum durch Schuldenbegrenzung, während die Hayek’sche Ideologie die Rücknahme staatlicher Interventionen forderte, was zu Kürzungen der Staatsausgaben führte.

Sechs Jahre später setzte sich diese Austeritätspolitik fort, ohne dass sich die Schulden deutlich verringerten oder das Wachstum anzog, wodurch die Logik hinter der Sparpolitik in Frage gestellt wurde. Ein kritischer Moment war die Rede von Larry Summers im Jahr 2013, in der er die Möglichkeit einer “säkularen Stagnation” der westlichen Wirtschaften in Betracht zog, was eine lang anhaltende Periode des niedrigen Wachstums und der geringen Beschäftigung andeutet.

Die Bezeichnung “säkulare Stagnation” wurde erstmals in den 1930ern von dem US-Ökonomen Alvin Hansen verwendet, um die Ursachen der damaligen globalen Wirtschaftskrise zu diskutieren. Hansen, der sich auf die Theorien von John Maynard Keynes stützte, sah zu geringen Konsum als zentralen Faktor der Krise. Er sah das Problem in einem Überhang von Ersparnissen gegenüber Investitionen, was zu einem Ungleichgewicht führt, da in einer funktionierenden Wirtschaft die Summe der Ersparnisse den Investitionen entsprechen sollte. Wenn Investitionen zu niedrig sind, um alle Ersparnisse aufzunehmen, führt dies zu einer Reduzierung des Sparens und somit zu einer Schrumpfung der Wirtschaft. Dies kann in einem neuen Gleichgewicht resultieren, wo niedriges Wachstum und geringe Beschäftigung zur Norm werden.

Larry Summers sprach darüber, dass die aktuelle wirtschaftliche Flaute möglicherweise auch eine Folge geringer Konsumnachfrage ist. Konsumenten, verunsichert durch wirtschaftliche Instabilitäten, zögern mit Ausgaben oder bemühen sich, Schulden zu tilgen. Ein Schlüsselfaktor, der die Konsumentennachfrage beeinträchtigt, ist die wachsende Einkommensungleichheit. Reiche tendieren dazu, einen größeren Anteil ihres Einkommens zu sparen als weniger Wohlhabende. Dieses Paradox, dass wohlhabendere Schichten sowohl große Konsumenten als auch Sparer sind, wurde vom Centre for Economics and Business Research in London aufgegriffen. Eine ihrer Studien zeigte, dass die oberen 20 Prozent der Einkommensbezieher im Vereinigten Königreich innerhalb von 12 Monaten fast 20.000 Pfund sparen konnten, während die unteren 40 Prozent mehr ausgaben, als sie verdienten.

Abnehmende Wachstumsrate durch geringere Nachfrage

Ein bedeutsamer Trend, der sich negativ auf den Konsum auswirkt, ist die abnehmende Wachstumsrate der Bevölkerung in vielen westlichen Staaten, was zu einer geringeren Nachfrage nach Autos, Wohnraum, Energie und Lebensmitteln führt.

Wenn die aktuelle ökonomische Flaute tatsächlich auf unzureichenden Konsum zurückzuführen ist, sollte die Belebung des Verbrauchs ein zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik darstellen. Niedrigzins-Kredite dienten oft als Mittel zur Konsumsteigerung, doch die Zurückhaltung beim Schuldenmachen ist eine direkte Reaktion auf die Rolle der Verschuldung in der jüngsten Wirtschaftskrise. Regierungen können zwar mit staatlichen Ausgabenprogrammen gegensteuern, diese stellen jedoch nur eine kurzfristige Lösung dar. Eine Umverteilung von Einkommen könnte den Konsum nachhaltig fördern, da Personen mit geringem Einkommen tendenziell eine höhere Konsumquote aufweisen als wohlhabendere Personen. So könnten die soziale Frage der Ungleichheit und das ökonomische Problem der Stagnation durchaus die gleiche Antwort finden.

Konsum als ethisches Dilemma

Allerdings löst das noch nicht die ethischen und ökologischen Bedenken der Konsumkritiker. Wir stehen vor einem klassischen Dilemma: Erhöhen wir den Konsum und nehmen damit möglicherweise moralischen und ökologischen Verfall in Kauf oder akzeptieren wir wirtschaftlichen Rückgang, um unsere ethischen Prinzipien und die Umwelt zu bewahren.

Konsum ist mehr als Einkauf von Waren

Diese Entscheidungen erscheinen dramatisch, aber die Realität bietet vielleicht nicht ganz so drastische Alternativen. Die scharfen Beobachtungen von Rousseau und Fromm zur menschlichen Existenz im Kapitalismus sind eine Kritik am Konsum, der fälschlicherweise mit bloßem Einkaufen gleichgesetzt wird. Während zu Rousseaus Zeiten der Konsum hauptsächlich den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen betraf, wird heute ein bedeutender Teil des Konsums kollektiv getätigt, etwa in den Bereichen Bildung, Gesundheitsfürsorge und Sicherheit.

Diese Verschiebung der Konsummuster ist wesentlich, da sie nicht die negativen Konsequenzen eines auf materiellen Besitz ausgerichteten Wettbewerbslebens mit sich bringt. Bildungsausgaben und die Anschaffung eines Smartphones sind beide Konsumakte, doch während das Schuljahr signifikant teurer ist, ist es weniger wahrscheinlich, dass es Neid unter den Menschen hervorruft, im Gegensatz zu dem Stolz auf ein neues Handy, der zu einem “Konsum-Wettrüsten” führen könnte, das sowohl das Verlangen nach materiellen Gütern als auch die seelische Unzufriedenheit fördert.

Im Laufe der Geschichte spielte gemeinschaftlicher Konsum eine Schlüsselrolle bei der Förderung einer gerechteren Gesellschaft. Die Ausdehnung öffentlicher Dienstleistungen, finanziert überwiegend durch die wohlhabenden Schichten und vorrangig genutzt von einkommensschwächeren Bevölkerungsteilen, trug wesentlich dazu bei, die Ungleichheiten des viktorianischen Zeitalters zu mindern. Ein expandierender öffentlicher Sektor hat traditionell das Wohl der Allgemeinheit verbessert, ohne dabei die moralischen Werte zu untergraben. Der Ausbau öffentlicher Dienstleistungen ist aktuell wieder von Bedeutung, insbesondere in Bereichen wie Gesundheit und Bildung, in denen die Ungleichheit besonders auffällig ist.

Die ökologische Kritik am Konsum

Auch die ökologische Kritik am Konsumverhalten muss differenzierter betrachtet werden. Die Umweltbelastungen, die durch unsere Konsumgüter und Dienstleistungen entstehen, variieren stark. Die CO2-Emissionen einer Reise können je nach Transportmittel stark schwanken. Die gleiche Vielfalt gilt für andere Konsumaktivitäten. Bei der Bekämpfung des Klimawandels zählen vorwiegend die Effizienz der Energienutzung und die Herkunft der Energie, und technologischer Fortschritt kann und wird beide Faktoren verbessern.

Trotzdem bleiben Skeptiker kritisch. Sie befürchten, dass die Kosten für umweltfreundliche Technologien und deren Entwicklung hoch sein könnten. Jørgen Randers gibt in seiner Prognose für 2052 zu bedenken, dass selbst gemeinschaftliche Anstrengungen möglicherweise nicht ausreichen, wenn nicht gleichzeitig unser Lebensstil grundlegend verändert wird.

Doch selbst mit begrenzten Mitteln können wesentliche Fortschritte erzielt werden. So werden die Kosten für die geplanten neuen Umweltvorschriften für Kraftwerke in den USA, die bis 2030 zu einer deutlichen Verschiebung hin zu saubereren Energien führen könnten, auf jährlich etwa 50 Milliarden Dollar geschätzt – ein Bruchteil des US-BIP, ohne dass die Bürger ihren Lebensstil grundlegend ändern müssten. Bjørn Lomborg argumentiert in “The Skeptical Environmentalist” (2001), dass die Menschheit Umweltprobleme bewältigen kann, wenn der politische Wille vorhanden ist.

Es besteht kein unausweichlicher Konflikt zwischen einem gerechteren, umweltfreundlicheren und menschlicheren Konsumverhalten. Die entscheidende Frage ist, wie die notwendigen Mittel für die erforderlichen Veränderungen sichergestellt werden können. Žižek betont, dass diese Herausforderung nicht von Verbrauchern allein, sondern von engagierten Bürgern gemeistert werden muss. Nur Regierungen können die erforderlichen Veränderungen für einen nachhaltigeren Konsum herbeiführen, und nur durch kollektive, staatlich organisierte Konsumformen kann das Problem der Ungleichheit schrittweise angegangen werden. Die Zukunft unseres Konsums wird politisch entschieden – an der Wahlurne, nicht an der Ladenkasse.

Es kann überraschen, wenn man erfährt, dass Baudrillard Kundenorientierung und Kundenservice als ausgeklügelte Formen der Manipulation betrachtet und dies aus einer kommunikationstheoretischen Perspektive analysiert. Er entlarvt die scheinbare Sorgsamkeit von Unternehmen als einen Akt der Inszenierung, der lediglich dazu dient, Kunden zu binden und ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Konsumkritik konsumiert man

Darüber hinaus beleuchtet Baudrillard eindringlich, wie in einer Gesellschaft, die sich durch Wachstum definiert – und nicht durch Überfluss, den er als Ideologie ablehnt –, Knappheiten immer wieder die öffentliche Diskussion bestimmen. Wenn gewisse Schwellen von Wachstum und Beteiligung überschritten werden, entstehen neue Mangelerscheinungen, wie ein Defizit an Natur, Raum, sauberer Luft und Ruhe, die in unserer Zeit zunehmend als Luxusgüter gelten. Sozialer Status manifestiert sich nicht mehr im offensichtlichen Reichtum, sondern in subtileren Formen des Konsums, die auf ein kontemplatives Erleben abzielen, wie innere Einkehr, Erholung und die Suche nach Sinn.

Baudrillard stellt klar, dass es kein Entkommen aus der Konsumgesellschaft gibt, nicht einmal für die Kritik an ihr. Konsumkritik wird von der Konsumgesellschaft vorweggenommen und in ihr System integriert, um die Kritik selbst zum Teil ihres Fortbestehens zu machen. Selbstironie und Selbstkritik in der Werbung zeigen, dass die Konsumgesellschaft keine Berührungsängste kennt und die Kritik an ihr als ein weiteres Element des Konsums umformt, was die Kritik paradoxerweise zu einem Teil dessen macht, was sie zu überwinden versucht.

Damian Paderta
Damian Paderta
Webgeograph & Digitalberater