In ihren empirischen Untersuchungen stellten Pflüger und Schurz fest, dass Personen die sehr lange und konzentriert Rechner arbeitetem, den persönlichen Umgang mit seinen Mitmenschen eher scheut, sie eher für zu kompliziert hält und sich eher weniger politisch und sozial engagiert. Ihre Freizeit verbrächten diese Personen lieber vor dem Fernseher. Ihre Bekannten wählen Computerfans nach festen Kriterien aus und neigen dazu ihre Sinnlichkeiten zu reglementieren. Insgesamt, behaupten Pflüger und Schurz, werden Intuition und Geselligkeit durch Systemdenken verdrängt. So hätten Computerfans Furcht vor dem anderen Geschlecht und glaubten im Falle des Falles, dass eher der Computer als sie selber Recht habe.
Mögen die Untersuchungen von Pflüger und Schurz nicht mehr zutreffen, da zur Zeit der Untersuchung Rechner keine Massenware darstellten und nur ein kleiner Kreis von Menschen sich mit dieser Technik intensiv auseinander setzte. Das Verhältnis ist wechselseitig: einerseits lässt der Menschen die Maschine rechnen, andererseits zwingt die Maschine den Menschen in bestimmte Gedankenstrukturen um mit ihr zu kommunizieren zu können. Der Nutzer wird dazu verleitet, möchte er effizient und erfolgreich sein, sein Handeln den jeweiligen Hard-und Softwarebedingungen anzupassen. Es sei denn, er ist in der Lage die Maschine bzw. die ablaufenden Prozesse selber zu kreieren und anzupassen (Code is law.) Der Nutzer geht also davon aus dass jeder Aktion reversibel ist, ähnlich wie es in der Mechanik ist. Eine Handlung hat eine ganz bestimmt Folge – bei Wiederholung der Handlung tritt der identische Zustand wieder ein. Das Denken folgt einem linearen und monokausalen Prinzip: Jede Ursache hat EINE Wirkung und jede Wirkung EINE Ursache hat.
Ein solches Denken wird mechanistisches Denken genannt. Was in vielen mathematisch-naturwissenschaftlichen Fragestellungen sinnvoll erscheinen kann, erweist sich dennoch als durchaus problematisch. Hier wird auf einen Menschen oder Gesellschaften ein Bild einer funktionierenden Maschine projiziert, deren Räderwerk auf bestimmte Eingaben vorhersagbare Resultate produziert. Im großen Maßstab wird diese Art zu denken in Simulationen der Welt versucht zu realisieren. In dem globalen Modell „Grenzen des Wachstums“ wird versucht durch Formalisierung und Simulation die Folgen politischer Entscheidung sichtbar darzustellen. In die Rechner werden Daten gespeist und anhand von naturwissenschaftlichen orientiertem Denken, Modelle berechnet und Informationen ausgegeben. Nein, nicht Informationen werden ausgegeben sondern lediglich Daten. Informationen sind Interpretationen von Daten. Dieses Effizienzdenken unterliegt der Annahme die Maschine könne, wenn auch nur sehr einfach, „denken“.
Das Gefühl für diffuse, mehrdeutige Zustände kann unter diesen Verlangen nach Einfachheit der Dinge leiden. Diese modernen Orakel sind zu diffus und komplex als dass ein einzelner Mensch die Fähigkeiten besäße sie zu widerlegen. Mit der fortschreitenden Informatisierung moderner Gesellschaften mit immer smarteren Anwendungen werden künftig Fähigkeiten verlangt werden, die Unschärfen und informationstechnisch nicht operationalisierbare Mehrdeutigkeiten erkennen und verarbeiten können. Für alle anderen Formen des „machinellen“ Denkens werden viele Berufe überflüssig machen. Die Maschine ist günstiger und zuverlässiger. Das bedeutet auch: Je stärker sich Gesellschaft und Individuum auf standardisierte „Denkvektoren“ einigt, desto dringender ist es, diese Annahmen über die Welt an ihren Rändern zu zerfasern und sie einer neuen Richtung zu denken.
Eine Annäherung der Gedankenstrukturen ist nicht zwingend nötig. Viel dringender ist eine Einsicht, dass es viele Annahmen von Wahrheiten nebeneinander geben kann, die sich logisch widersprechen. Hierraus erigbt sich ein weitgehender Verzicht auf deterministische Sichtweisen. An ihre Stelle treten Tendenzen.
Grundannahmen der klassischen Logik sind:
- Jede Aussage hat genau einen von genau zwei Wahrheitswerten, die meist als wahr und falsch bezeichnet werden. Man nennt dieses Prinzip das Prinzip der Zweiwertigkeit oder Bivalenzprinzip.
- Der Wahrheitswert einer zusammengesetzten Aussage ist eindeutig durch die Wahrheitswerte ihrer Teilaussagen und die Art, wie diese zusammengesetzt sind, bestimmt. Dieses Prinzip heißt das Prinzip der Extensionalität oder der Kompositionalität.
Die Einfachheit des Gedankens
Die Prinzipien klassischer Logik orientieren sich an keinem Naturgesetz, sondern entspringen vielmehr der Bauart des menschlichen Gehirns und dessen Schwierigkeit mit der rationalen Vereinbarkeit von gleichzeitigen, abstrakten Zuständen. Der folgende Dialog aus Gregory Bateson Ökologie des Geistes (1983) veranschaulicht diese „Unfähigkeit“ auf sehr einfache Weise:
Tochter: Ich habe mal ein Experiment gemacht.
Vater: Ja?
Tochter: Ich wollte herausfinden, ob ich zwei Gedanken gleichzeitig denken kann. Also dachte ich „Es ist Sommer“, und ich dachte „Es ist Winter“. Und dann versuchte ich, die beiden Gedanken gleichzeitig zu denken.
Vater: Und?
Tochter: Aber ich merkte, dass ich nicht zwei Gedanken hatte. Ich hatte nur einen Gedanken darüber, zwei Gedanken zu haben.
Vater: Genau, das ist es. Du kannst Gedanken nicht vermischen, du kannst sie nur verbinden. Und letzten Endes bedeutet das, dass man sie nicht zählen kann.
Tochter: Haben wir denn in Wirklichkeit nur einen grossen Gedanken, der aus vielen kleinen Verzweigungen besteht – vielen, vielen Verzweigungen?
(Quelle: Bateson 1983:58)
Ein französische Denker, Jacques Derrida, erkannte dass die ganze westliche Kultur fest in binärer Opposition sitzt. Zum Beispiel männlich – weiblich: „Weder Species noch Gender noch Individuum, ist es eine irreduzible lebendige Vielfalt von Sterblichem.“ Das zu überwinden, scheint ein sehr schwierige Aufgabe. Aber vielleicht eine Eigenschaft die menschliche Intelligenz von künstlicher unterscheiden kann. Lasst uns gleichzeitig denken…