Politik 1.0 hat ausgedient. Durch das Netz entstehen ständig neue Möglichkeiten, sich zu informieren, zu vernetzen und auszutauschen. Diese Möglichkeiten werden tagtäglich ganz selbstverständlich in der Wirtschaft und im privaten Bereich genutzt. Warum nicht auch in Politik und Verwaltung?
BürgerInnen erwarten Transparenz in den Entscheidungsprozessen und Möglichkeiten zur Beteiligung. Die globalen Probleme wie Flucht und Vertreibung, Klimawandel oder der demographische Wandel, können nicht von Politik und Verwaltung allein gelöst werden. Das Wissen und die Initiative der Bürger und Unternehmen müssen einbezogen werden. Die Informationsgesellschaft kann es sich nicht leisten, Innovationspotential schlummern zu lassen und Verwaltungen können es sich nicht leisten, auf das Wissen und Hilfe der Bürger zu verzichten.
Open Government oder offener Staat
Open Government bedeutet einen Kulturwandel hin zu mehr Transparenz, Bürgerbeteiligung und damit hoffentlich auch zu einem Abbau der Politikverdrossenheit. Es geht nicht im das x-te Partizipationsportal für Bürger, die einmalige Veröffentlichung von Schnarchdaten, wie die Standorte von Hundekotbeutelspendern, sondern das grundlegende Verständnis, dass Prozesse und Daten, analog wie digitale, transparent und offen gestaltet werden sollen. Open by default – Offenheit als Standard lautet das Credo. Transparenz ist dabei ein Mindeststandard.
Open Government wird häufig im Zusammenhang mit verbesserter Korruptionsbekämpfung und -prävention gebracht, da Transparenz Korruption frühzeitig sichtbar und schwerer verschleierbarer macht. Dabei liegt der Fokus auf der digitalen Bereitstellung von Diensten und Daten als auch auf analogen Veranstaltungen, auf denen BürgerInnen echte Teilhabe ermöglicht wird. Echt – weil es bereits genügend Partizipationsshows gibt, die einem konsensuellen Abnicken zu intransparenten Entscheidungen der Politik gleichen als einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Demokratie ist kein Geschenk
Niemand muss dankbar dafür zu sein, wenn Angebote geschaffen werden, um ein bestehendes Machtgefälle zu nivellieren und wenn gerechtere Aushandlungsprozesse initiiert werden. Demokratie ist weder ein Selbstläufer noch selbstverständlich. Weltweit und historisch bildet sie sogar eine seltene Ausnahmeerscheinung. Sie hat nicht aus sich heraus eine Zukunft, sondern muss permanent mit Sinn gefüllt und im Alltag gelebt werden. Sie besitzt keine Ästhetik der Stärke wie der Faschismus. Sie besitzt keine umfassenden Antworten auf alle Fragen wie totalitäre Regime.
Sie ist verhältnismäßig langsam, kompliziert, mehrdeutig und produziert im günstigsten Fall keine Gefühle von Überlegenheit oder Abgrenzung. Sie ist keine in Stein gehauene Akropolis. Dennoch besitzt sie eine Statik, die ins Wanken geraten kann und braucht ein unerschütterliches Fundament von Werten. Sie ist ein ständig pulsierendes Gebilde, welches in Frage gestellt, weiterentwickelt und verändert werden muss. Sie fußt auf Menschen- und Bürgerrechten, die in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, mit Hektolitern von Blut und Tränen erkämpft wurden.
Die Demokratie bedeute nicht die Herrschaft der Mehrheit, sondern ist die humanste Regierungsform, die die Menschheit entwickelt hat. In ihr können die Regierenden ohne Blutvergießen abgesetzt werden.
Eine Kultur der Offenheit und des Wandels
In einer Zeit, in der sich der Staat aus immer stärker aus der Verantwortung zieht und das Feld der ungerechtigkeitsverstärkenden Kräften des Marktes überlasst, ist die Offenheit der beste Weg um zu verhindern, dass in Zukunft gesellschaftliche Diskurse nicht ausschließlich von profitorientierten und demokratisch nicht legitimierten Konzernen angeboten und moderiert werden sollen.
Die preußische Verwaltung war vorgestern und existiert immernoch. Eine Kultur des Wandels ist nötig. Es soll nichts Fertiges mehr zur Begutachtung serviert werden. Heute können Applikationen die Kosten der Teilhabe von BürgerInnen schmälern. Dabei ist die Effizienz aus ökonomischer Sicht zweitrangig. Es geht um die Effektivität des Staates für die Belange der Menschen.
Der Schock der Übergangs von der geschlossenen in die offene Gesellschaft wärt immernoch an. Er ist der Grund, warum es immer wieder jene reaktionären Bewegungen schaffen, die den Sturz der Zivilisation herbeisehnen und auf die Rückkehr der Stammesgebundenheit hinarbeiten. Die Überwindung dieser tribalen Gefühle ist eine Herausforderung an die gesamte Zivilisation. Ein offener Staat und eine offene Gesellschaft kann die Antwort darauf sein.
Eine Demokratie kann weder auf Abgrenzung bauen, noch diese fördern. Staat und Gesellschaft haben die Aufgabe, dem Menschen und Menschengruppen innewohnende Eigenschaft, Ausgrenzungen von ihnen nicht-selbstähnlichen Menschen, fortwährend zu regulieren und Einhalt zu gebieten. Dies erfordert eine höhere Vernetzungsdichte und bessere Kommunikation von Menschen über ihr eigenes Millieu, ihren Stand, ihrer gesellschaftlichen Sicht etc. hinaus. Der Traum des Web 2.0 als demokratiefördernde Möglichkeit war schneller ausgeträumt, als die Faxgeräte in Verwaltungen recycelt werden konnten. Nun gilt es aus den Trümmern Neues aufzubauen und aus den Fehlern zu lernen, solange noch das Netz nicht gänzlich kapitalisiert und militarisiert ist und autoritäre Politik zum guten Ton gehört. Das “Miteinander reden” braucht einen Raum: virtuell und physisch. Beide (!) Voraussetzungen sind wichtig, für echte Teilhabe und eine Kultur des Wandels.
Es braucht keine Digitalisierung veralteter Praxis, sondern einen Kulturwandel mit digitalen Mitteln hin zu mehr Offenheit.
Das fordert auch das Open Government Manifest NRW.
Das Open Government Manifest NRW
Im Manifest für ein offenes Regierungshandeln in NRW treten zahlreiche Akteure des Wandels aus allen Bereichen des demokratischen Zusammenlebens für diese neue Haltung in Politik und Verwaltung ein. Das Manifest Open Government NRW steht für mehr Offenheit, Zusammenarbeit, Bürgerbeteiligung und Transparenz in Nordrhein-Westfalen. Unterstützt wird es von bekannten Initiativen aus NRW. In vier Prinzipien wird diese neue Politik beschrieben: die Akteure, die diesen Wandel vorantreiben, eine Kultur der Offenheit, die Grundlagen für eine offene digitale Infrastruktur und die Kriterien für offen gestaltbare Lebensräume.
Das Manifest spiegelt den Wunsch nach rechenschaftspflichtigen Regierungen wider, die transparenter und effektiver arbeiten, und nach Institutionen, die den Einzelnen stärker einbinden und auf die Wünsche der Bevölkerung eingehen.
Ziel ist des Manifestes ist es, die Willensbekundung zu einem Umdenken möglichst breit zu streuen und Politik und Verwaltung auf allen Ebenen im Land zu einem neuen Politikstil zu ermutigen. Offenheit ist dabei das verbindende Element.