Akzeptanz neuer Technik

Neben den erwünschten Folgen technischen Fortschritts gibt es manche Zumutungen, welche die Akzeptanz einer bestimmten technischen Errungenschaft verringert. Technik besitzt nicht per se eine Disposition, die sie nun für den Menschen akzeptabel macht oder nicht. Akzeptanz ist das Ergebnis vielschichtiger sozialer Aushandlungsprozesse und Faktoren welche sich ändern können. Wichtige Bedingungen für den Prozess des Akzeptierens welche in Wechselwirkung zueinander stehen sind Glaubwürdigkeit, Verantwortlichkeit und Begründbarkeit. Die Wahrscheinlichkeiten von Akzeptanz variieren je nach objektiver und subjektiver Betroffenheit und nach Beeinflussbarkeit und Anwendbarkeit der Situation.

Grundsätzlich wird zwischen Akzeptanz und Akzeptabilität unterschieden. Akzeptanz wird hier definiert als die Chance, für bestimmte Meinungen, Maßnahmen, Vorschläge und Entscheidungen bei einer identifizierbaren Personengruppe ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung zu finden und unter angebbaren Bedingungen aussichtsreich auf deren Einverständnis rechnen zu können.
Akzeptabilität dagegen kann als die prinzipielle Erwartbarkeit mehrheitlichen Einverständnisses auf der objektivierbaren Grundlage allgemein anerkannter und rational begründeter gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher etc. Oberziele verstanden werden. Das Konzept der Akzeptabilität versucht relativ unabhängig von gegenwärtigen Stimmungslagen und -schwankungen in der Bevölkerung anhand von übergeordneten gesellschaftlichen Leitlinien und Leitbildern eine Bewertung der Annehmbarkeit einer Technik bzw. einer sozialen Expression vorzunehmen.
Eine Verständnis von Akzeptanz im eigentlichen Sinne könnte sein, dass wenn auf Subjektseite ein Mindestmaß an Einsicht und innerer Überzeugtheit gegeben ist und gleichzeitig davon ausgegangen werden kann, dass den Akzeptanzsubjekten Einstellungs- und Handlungsalternativen bekannt sind, die von ihnen prinzipiell realisiert werden können.

Allgemeiner Konsens ist, dass wissenschaftlicher Fortschritt und technische Innovation zur Sicherung des Wohlstandes, medizinischen Versorgung und zur nachhaltigen Entwicklung nötig sind. Dissens besteht zunehmend in der Forschung darüber ob alles was getan werden kann auch getan werden sollte. Anlass dazu gibt die Forschung an embryonalen Stammzellen des Menschen. Diese Fragen sind von ethischen Standpunkten aus zu betrachten und werden hier vernachlässigt. Die nichtintendierten Folgen und Risiken technischen Fortschritts sind in den vergangenen Jahrzehnten durch Katastrophen wie Tschernobyl oder das Ozonloch, ließen den Glauben an die Lösbarkeit von Problemen alleine durch Technik schwinden. Dieser Glaube soziale Probleme zuerst mit technischen Lösungen anstatt mit anderen zu entgegnen wird technological fix genannt. Technikdeterministische Sichtweisen sind nach der Theorie reflexiver Modernisierung von Ulrich Beck Produkte modernen Denkens und Handelns. Dabei bezieht sich die Kritik an der nichthinterfragten Akzeptanz von Technik die bei Problemen mit technikimmanenten, also nichtintendierten Folgen und Begleiterscheinungen von Technik, welches ein „mehr“ an Technikeinsatz verlangt.

Beispielsweise produziert mehr Technik in Kernkraftwerken nicht ein „mehr“ an Sicherheit, sondern eher das Gegenteil. Großtechnische Systeme besitzen eine Fehleranfälligkeit welche ihnen aufgrund ihrer Struktur immanent ist und können nicht mit einem mehr an Technik behoben werden. Demnach sind Komplexitätsreduktion und partielle Entkopplung die Ansatzpunkte zur Lösung von Beherrschbarkeit von großen komplexen Systemen.

Das dringendste Problem der Technologie von heute ist nicht mehr die Befriedigung von Grundbedürfnissen und uralten Wünschen der Menschen, sondern die Beseitigung von Übeln und Schäden, welche uns die Technologie von gestern hinterlassen hat. (Dennis Gabo)

In Hinblick auf die Ambivalenz von Nutzung und Risiko von Technik wurde Anfang der 80er über Technikakzeptanz diskutiert. Die Idee akzeptanzorientierter Technikgestaltung bestand darin, die angenommene Technikakzeptanz bereits in der Technikentwicklung zu berücksichtigen, d.h. sie wurden auf Sozialverträglichkeit geprüft. Dies wurde im Hintergrund von Ängsten der Bürger und Arbeitnehmer begleitet welche durch technische Automatisierungsprozesse Rationalisierungsmaßnahmen und Großtechnologien verunsichert wurden. Um genau diese Angst zu nehmen wurde ein stark sozialwissenschaftlicher Diskurs in die Öffentlichkeit transferiert der die Gestaltbarkeit von Technik postulierte. Eine der wesentliche Einsichten dieser Aktivitäten der Technikfolgeabschätzungen dass Technikgestaltung ein sozialer Prozess ist der umso erfolgreicher verläuft je stärker die Interessen der Benutzer Berücksichtigung finden. Diese Erkenntnis schlug sich in zwei Bereichen deutlich nieder.Erstens an der benutzerfreundlichen Gestaltung der Mensch/Maschine-Schnittstelle, d.h Technologien die den Benutzer nicht überfordern sondern ihnen das Gefühl geben das jeweilige System zu beherrschen stoßen auf weniger Widerstand beim Gebrauch und reduzieren die Zahl der Fehler in der Bedienung. Zweitens wurde die Partizipation von Techniknutzern in die Gestaltungsprozesse integriert. Die Partizipation soll so die Möglichkeit bieten soziotechnische Entwicklungen sozialverträglicher zu gestalten.

Die bereits erwähnten Automatisierungsprozesse der Industrie, welche die Technikbenutzer weitestgehend aus Gestaltungsprozessen ausschloss, lässt sich am Negativbeispiel des Airbus A 320 verdeutlichen; die zunehmende Dichte des Flugverkehrs und zahlreiche neue technische Sicherheitssysteme erhöhen die Komplexität des Fliegens. Der Airbus A 320 war in seiner Entwicklung deshalb konsequent vom Leitbild eines rechnergestützten Fliegens bestimmt. Hier lag die Vorstellung zugrunde die sensorischen und kognitiven Begrenztheiten des Menschen und der daraus resultierenden Anfälligkeiten für Fehler ein System von Sensoren und Prozessoren welche in der Lage und fehlerfrei auf mögliche Störfälle zu reagieren. Alle Eingaben vom Piloten wurden vom Rechner kontrolliert und in Falle einer Diskrepanz gegen die von den Entwicklern festgelegten Eigenschaften, korrigiert werden. Die Einwände der Piloten, man solle Entscheidung technischer Systeme überstimmen können, wurden ignoriert. Diese Entmachtung und die gleichzeitige Delegation von Kompetenz auf den Bordcomputer minderte die Akzeptanz der Systeme. Die Befürchtungen sollten sich bewahrheiten nachdem mehrere Unglücke des Types A 320 auf die fehlenden Möglichkeiten des Einschreitens des Piloten zurückzuführen waren. Airbus erhöhte daraufhin die Autonomie des Piloten. Dem Ausspruch von „Siegeszug der Technik in den Alltag des Menschen“ unterliegt einer Auffassung von Unterlegenheit oder Passivität in Bezug zur Technik. Akzeptanz ist jedoch ein aktiver Vorgang der eine Auseinandersetzung mit dem Objekt oder Prozess erfordert und nicht von „höherer Stelle“ erzwungen werden kann.

Schaut man sich die Prognosen für die Zukunft eines durchschnittlichen Haushaltes an, so werden Visionen proklamiert, welche die totale Vernetzung, beispielsweise des Kühlschrankes mit dem Handy, und die Einführung intelligenter Systeme als Alltagshilfen in Aussicht stellen. Mit gerade solch vernetzten System steigt die Komplexität der soziotechnischen Systeme welche für den Laien immer undurchsichtiger werden. Wenn Systeme sich vernetzen und immer intelligenter komplexe Aufgaben autonom bewältigen, vollziehen sich Entscheidungen immer weiter im Verborgenen aus der Sicht der Nutzer. Intransparenz ist jedoch ein häufiger Grund für mangelnde Technikakzeptanz. Die Person welche Entscheidungen eines technischen Systems nicht versteht und dessen Eingriffsmöglichkeiten weiter eingeschränkt werden wird entmündigt und verliert Vertrauen in die Technik. Dabei geht es mehr Konzepte als um eine Verständnis einer detaillierte Funktionsweise der Technik. Die meisten wissen wie man eine email abschickt – die wenigsten wie es funktioniert. Das ist auch nicht wirklich notwendig. Das Konzept des „E-Mail Versendens“ ist den meisten Menschen klar und deshalb akzeptieren sie es.

Die grundlegene Frage bei der Benutzung und Einführung neuer Technologie kann folgendermaßen lauten: Was kann sie leisten und was soll sie im Grunde leisten? Gleichzeitig ist eine deterministische Vorhersagbarkeit von  meist höchst spekulativ. Nicht spekulativ ist dagegen die Frage nach dem „tiefsten Grund“ der Nutzung: Akzeptiere ich die Folgen für die Möglichkeiten/Gewinn die die Technik MIR bietet? Diese Fragen sind nicht als technikfeindlich zu betrachten, sondern als notwendiger Diskurs innerhalb einer Gesellschaft die zunehmend mit komplexer Technik ausgestattet ist und die ethische und kulturelle Entwicklung hinterherhinkt. Die Nicht-Akzeptanz von Technik kann unter Umständen auch als kulturelle Errungenschaft gelten – ebenso wie die Erfindung und Aneignung von dieser.

Damian Paderta
Damian Paderta
Webgeograph & Digitalberater