Karrikaturen der Digitalisierungsdebatten

Die Charaktere des Digitalisierungsdiskurses – Eine Polemik mit Bild und Text

„Technologie ist eine Plage!“ –  „Die Technologie wird es in Ordnung bringen!“ verkünden Techno-Utopisten auf Medium. Ja-Nein-Oder. Die Szenarien sehen oft folgendermaßen aus: Roboter werden uns entweder von der Plackerei befreien oder die Zivilisation zerstören.

Opfer des Internets gibt es zunehmend: Rentnerinnen, Arbeitslose, Frauen, Studierende, Arbeitnehmerinnen, Ärzte, Lehrer, Supermarktkassierer, Tante-Emmaladenbesitzerinnen, Hunde, Katzen und Kinder sowieso.
Alle können dagegen von den Segnungen der Digitalisierung profitieren: Rentner, Arbeitslose, Frauen, Studierende, Arbeitnehmer, Ärzte, Lehrer, Supermarktkassierer, Tante-Emmaladenbesitzer, Hunde, Katzen, Kinder und Arbeitgeber und Investoren sowieso. Wenn wir nicht weiterwissen, brauchen all diese Randgruppen mehr Bildung für dieses Digitalzeugs. „Die Politik muss die passenden Rahmenbedingungen schaffen und Mittel für irgendwas bereitstellen. Ein Ruck muss durch das Land gehen. Eine Studie muss her. “ Das leisten Universitäten und Stiftungen, um zu dem Schluss zu kommen, dass irgendwas gemacht werden sollte, sonst wäre es nicht so gut. Kann aber auch andersherum sein.
Die Wirtschaft, besonders der Mittelstand, konnte nicht ahnen, dass quasi über Nacht das Internet erfunden wurde und das irgendwie Einfluss auf ihre Geschäftsmodelle haben könnte. Quasi jedermann und jederfrau kann mit seinem Startup Millionen scheffeln, Voraussetzungen: Internetzugang, Kicker und ein cooles Logo.

In diesem Spektrum der Ratlosigkeit und guten Ratschläge könnte die Brutstätte für ein weites Spektrum an Praktiken, Vorstellungen der Zukunft, Phantasien und Vorgehensweisen sein. Doch leider, so scheint es, dominieren einige wenige Typen das Geschehen. Was sich in vielen Artikeln widerspiegelt, ist oft nicht nur intellektuell anspruchslos, sondern auch emotional leer, phantasielos. Wenn es anregend klingt, dann ist es meist Werbung oder eine naive Bewunderung. Technologie ist entweder brillant oder banal, heroisch oder abscheulich. Es langweilt (mich).

Nicht zu unterscheidende (meist) Männer jungen bis mittleren Alters, die nicht zu unterscheidende Produkte bewerten, die von einer Presse herausgegeben wird, die nur allzu begierig darauf ist, Gadget-Bewertungen zu schreiben, die sich aber nicht von Anzeigenkopien unterscheiden lassen. Redakteure suchen verzweifelt nach nutzbaren Inhalten, was allzu oft zu einer Art Karikatur verkommt. Und genau um diese Karikaturen, personifizierte Darsteller des Digitalisierungsdiskurses, geht es. Alles Männer – fast. Und da dies eine unwissenschaftliche, rein auf subjektiver Erfahrung beruhende Phänomenologie von den von mir kennengelernten Typen ist, ist eine negative Beschreibung wesentlich unterhaltsamer als eine positive. Wer sich hier angegriffen fühlt, dem sei beschwichtigend gesagt, dass auch ich mich in vielen dieser Typen in kleineren Teilen wiederfinde. Humor und Selbstreflexion ist hier also vorausgesetzt.

1. Der Techniküberzengte Bytestar

Beginnen wir mit den Glanzlichtern der Debatten. Mit den Machern. Machern von irgendwas. Aber neu und irgendwie Digital. Deshalb auch gleich „innovativ“. In diesem Charakter versammeln sich techniküberzeugte Geeks, Nerds und Technikliebhaber (oder solche, die es gerne wären), die glauben, Technik löse gesellschaftliche Probleme. Einige Dogmen ihrer smarten Aussagen beinhalten: Je vernetzter, desto besser. Je schneller, desto besser. Je mehr, desto besser. Gesellschaftliche Probleme können mit technischen Systemen gelöst werden. Die größte Tragik lässt sich auf ein fundamentales Missverständnis reduzieren: Ihr Glaube, ein Gesellschaftssystem und ein Betriebssystem teilten eine große Schnittmenge an beschreibbaren und eindeutigen Funktionen.

Die Sprache mit all ihrer Unschärfe ist ihm suspekt, was er schnell zu definieren versucht. Die Zwischen- und Untertöne sind die einzigen Dinge, die ihn verunsichern. Die Show gehört ihnen, wenn ihnen ein Auditorium an angepassten Digitalsurfern dabei lauscht, wie sie auf sämtlichen Instrumenten des Digitalorchesters virtuos spielen – mit hoher sprachlicher Sensibilität fragen sie gelegentlich die Zuhörenden ab, wenn ihnen ihre Insidersprache und technische Begriffe aus dem Mund fallen, und vergewissern sich damit, dass sie auch wirklich nur angepasste Digitalsurfer vor sich haben und nicht andere Fachkundige, die ihnen gefährlich werden könnten.

Oft mit nebulösen Begriffen um sich schmeißend, haben sie immer eine Antwort auf ein Problem: „Man habe nicht genug Testdaten gesammelt, aber wahrscheinlich würde eine auf Blockchain und AI-basierende Plattform die Konflikte im Nahen Osten drastisch reduzieren. Man müsse nur die Techniker ranlassen. Die Politiker verstünden von Problemlösung einfach zu wenig.“

Seine Lieblingsphrasen sind „Disruption“, „Game-Changer“ und „Das wird die Welt verändern“. Geschichte ist für ihn lediglich eine Abfolge technologischer Revolutionen, bei denen das Soziale bestenfalls als Fußnote erscheint. Kritik an seinem Techno-Determinismus begegnet er mit dem Vorwurf mangelnder Zukunftsfähigkeit. Seine bemerkenswerte Fähigkeit, komplexe soziale Probleme auf simple technische Lösungsansätze zu reduzieren, ist nur übertroffen von seiner Unfähigkeit, die Grenzen dieser Ansätze zu erkennen.

Job: Ingenieur, Entwickler, Designer, CTO
Traum: Vollautomatisierter Tagesablauf mit Dusch- und Putzroboter, entwickelt auf einer eigens erfundenen Programmiersprache mit einer Zeile Code.
Heimlicher Traum: Auf einer Megarockshow statt auf einer Gitarre zu spielen, die eigene App vorstellen und als Superstar gefeiert werden und den damaligen coolen Kids aus der Schule endlich mal einen reindrücken.
Bücherschrank: „Superintelligence“ von Nick Bostrom, „Zero to One“ von Peter Thiel, „The Singularity is Near“ von Ray Kurzweil

2. Der Angepasste Digitalsurfer

Andere sehen ihre Chancen und preisen mit der sprichwörtlichen Flucht nach vorne die Segnungen der Technik – gefangen in der Annahme, Skeptizismus oder Kritik würde mit Zukunftsunfähigkeit einhergehen. Gesellschaftliche Reputation ist ihnen wichtig – ihre ideologischen Scheuklappen haben sie abgelegt. Denken sie zumindest. Sie suchen nach einer Lösung der Probleme mit der Hoffnung, dass ein Problem endlich als gelöst betrachtet werden kann und als Ende der Geschichte einhergeht. Sie sprachen 2012 noch von neuen Medien und dass das Internet alles ändern wird. Sie sagten das mit Überzeugung, affirmativer und ängstlicher Bestätigung der Techniküberzeugten, die sie als Propheten der Zukunft betrachten.

Öfter als die Techniküberzeugten tappen sie in die Bullshitbingo-Falle: ständig wiederholen sie, wie smart, connected oder innovativ etwas ist.

Ihnen fällt die Aneignung neuer Technologie nicht schwer, deshalb nennen sie sich manchmal auch selbstbewusst First Movers – wie die Apokalyptischen Philister aber sagen würden, sind sie hoffnungslos unbegabte Konsumenten, die ihrem Freundeskreis damit zeigen möchten, wie innovativ sie sind, und helfen uns als Tester für unausgereifte Gadgets dabei, für Kinderkrankheiten in der Technologie viel Geld zu bezahlen. Kreativität bedeutet für sie, aus gekauften Legosteinen ein Haus zu bauen, was auch aussieht wie ein Haus. Zu gerne würden sie ihre kleinen intellektuellen Schachteln verlassen.

Meistens sind sie ökonomisch dennoch so erfolgreich, dass sie dieses Defizit dadurch ausgleichen, indem sie an den Veranstaltungen und der materiellen Kultur von denjenigen teilhaben, die sie mehr oder weniger heimlich vergöttern. Erzählen gerne von Plattformen, Innovation und Marktnischen, die sie mit ihren brillanten Ideen zum Kabelträger der Moneymaker machen. Aber: „Dabei sein ist wichtig.“

Seine größte Angst ist es, den Anschluss zu verlieren. Er konsumiert regelmäßig TED-Talks und speichert sie unter „Inspiration“ ab, ohne sie jemals wieder anzusehen. Er verwechselt die Nutzung neuer Technologien mit genuinem Verständnis derselben und hält sich für einen digitalen Vordenker, weil er die neueste Beta-Version einer App installiert hat. Seine Konversation ist geprägt von Buzzwords, deren Bedeutung er nur oberflächlich erfasst hat. Sein Verständnis von Technologie ist wie sein Kaffee: lau und verwässert, aber in einem stylischen Becher serviert.

Job: Projektmanager, Digital Strategist, Innovation Manager
Traum: Eine denglische Jobbezeichnung, die mit „C, Lead oder Head of“ beginnt.
Heimlicher Traum: Auch mal ein erfolgreicher Techniküberzeugter sein.
Bücherschrank: „Digital Transformation Playbook“, „Agile for Dummies“, ungelesene Exemplare von „Sapiens“ und „Homo Deus“

3. Der Apokalyptische Papyrus-Philister

An dem anderen Pol sammeln sich diejenigen, die sich in Bedenken baden und sich als Meister der Beschwörung von bekannten und inhärenten Problemen verstehen. Und es am Ende besser wussten, wenn der nächste Datengau die Schlagzeilen füllt. Sie wussten es schon immer. Neue Technologien sind ihnen ein Graus, und sie fragen einen am Ende jeder Diskussion, ob der Mensch das alles braucht. Aber Vorsicht: Auch hierunter finden sich Techniker genauso wie Anhänger einer antizivilisatorischen, natürlichen, ursprünglichen Welt. Dem Primitivismus können sie auch was abgewinnen.

Er verachtet die angepassten Digitalsurfer genauso wie die Techniküberzeugte. Sie reduziert er gerne auf Geldmacherei, wobei er nicht erklären kann, was daran schlecht sein soll. Ausgezeichnet dagegen ist er im Rückgriff auf die Geschichte und Parallelen aus ihr zu ziehen. Im Grunde ist für ihn nichts neu – nur neu gelabelt. Sprache ist ihm nicht grundsätzlich suspekt, aber neuen Wörtern begegnet er mit übertrieben schlechter Aussprache, wenn er sie überhaupt wiederholt. Alles, was er nicht versteht, ist das Produkt eines hinterhältigen Marketings, dem er nicht zum Opfer fallen wird.

Er ist gewiss ein Meister des detailversessenen Monologs – Diskussionen dienen der Selbstvergewisserung und der uncharmanten Darstellung seines unverrückbaren Standpunktes. Er hasst Kompromisse in seiner Abneigung gegenüber neuen Technologien – dass sein Telefon irgendwann auch innovativ war, relativiert er ausgiebig. Das Humboldtsche Bildungsideal hält er gerne hoch, wenn er dabei die Grenzen der Allgemeinbildung anhand jahrhundertalter Fächer definieren darf.

In seinem Weltbild ist jede neue Technologie der potenzielle Untergang der Zivilisation, jedes Update ein weiterer Schritt in Richtung digitaler Dystopie. Seine Kulturkritik ist weniger von Sachkenntnis als von diffusem Unbehagen geprägt. Er zitiert Heidegger und Günther Anders, ohne sie wirklich verstanden zu haben, und hält seine Technikskepsis für eine tiefgründige philosophische Position. Sein Notizblock ist stets griffbereit, um triumphierend „Ich hab’s euch ja gesagt!“ zu notieren, wenn irgendwo ein System zusammenbricht. Seine größte Stärke liegt darin, Katastrophen präzise vorherzusagen – allerdings nur im Nachhinein.

Job: Lehrer, Aktivbürger, Rentner, Kulturjournalist
Traum: Der Tag, an dem alles einfacher wird und man selber Recht hatte. Sämtliche komplexe gesellschaftliche Systeme und Technologien werden zurückentwickelt und passen auf einer Formel auf einen Bierdeckel.
Heimlicher Traum: Den Diskurs dominieren und selber erfolgreich sein.
Bücherschrank: Werke von Neil Postman, „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ von Shoshana Zuboff, abgegriffene Ausgaben von Adorno, „Ausstieg aus der digitalen Welt“ (Selbsthilfe)

4. Der Bigotte Pragmatiker

Eine bigottere Variante schimpft gegen Facebook und nutzt es dafür, um dagegen zu sein. Er proklamiert lautstark die Gefahren der sozialen Medien, während er heimlich selbst stundenlang durch die Timeline scrollt. Seine widersprüchlichen Positionen werden durch eine selektive Wahrnehmung ermöglicht – die schädlichen Aspekte der Technologie gelten für die anderen, nicht für ihn selbst. Seine Argumentation changiert zwischen moralischer Überlegenheit und pragmatischer Nutzung, je nachdem, was gerade bequemer ist. Technologiekritik ist für ihn ein soziales Distinktionsmerkmal, keine konsistente Haltung.

Er kündigt regelmäßig seinen Ausstieg aus sozialen Netzwerken an, um kurz darauf mit einem Post über die Vorzüge digitaler Enthaltsamkeit zurückzukehren. Seine Kritik an Technologiekonzernen hindert ihn nicht daran, das neueste iPhone zu bestellen oder seine Einkäufe bei Amazon zu tätigen. Er schwankt zwischen „Früher war alles besser“ und „Ich muss da halt mitmachen“ – ohne je eine kohärente Position zu entwickeln. Sein Lieblingssatz beginnt mit „Ich bin ja kein Technikfeind, aber…“ und endet mit einer fundamentalen Ablehnung jeder Neuerung, die seinen Gewohnheiten widerspricht.

Job: Beliebig, oft im öffentlichen Dienst oder mittleres Management
Traum: Die täglichen Must-Haves mit einem Knopfdruck erledigen
Heimlicher Traum: Nichts, was mit dem Technologiediskurs zu tun hat.
Bücherschrank: „Digital Detox“ neben dem neuesten Handbuch für Smartphone-Optimierung, „Simplify your Life“ zwischen Amazon-Bestellungen

 5. Der Moderator

Im Grunde eine sympathische Gestalt, die versucht, zwischen den extremen Positionen zu vermitteln. Seine Rolle als selbsternannter Mediator zwischen Technikeuphorie und -skepsis erfüllt er mit einem gewissen intellektuellen Anspruch, der jedoch oft an der Oberfläche bleibt. Er versteht sich als Brückenbauer, dem es jedoch an tieferem Verständnis sowohl der sozialen als auch der technischen Dimensionen fehlt. Seine ausgewogene Position ist häufig das Ergebnis von Unentschlossenheit, nicht von Synthese. Er nimmt ein bisschen von hier, ein bisschen von dort und vermeidet dabei konsequent, selbst eine eigene Position zu entwickeln. Seine Beiträge wirken auf den ersten Blick differenziert, entpuppen sich jedoch bei genauerer Betrachtung als bloße Vermeidungsstrategien substantieller Auseinandersetzung.

Die meisten technischen Texte sind oberflächlich und sinnlos, behauptet er, während er selbst genau diese Oberflächlichkeit reproduziert. Seine vermeintliche Differenziertheit ist letztlich nur ein anderer Ausdruck derselben intellektuellen Leere, die er bei anderen kritisiert.

Er beginnt jede Diskussion mit „Es ist kompliziert“ und endet mit „Die Wahrheit liegt in der Mitte“, ohne je zu spezifizieren, von welcher Mitte er spricht. Seine Beiträge zum Diskurs bestehen hauptsächlich aus dem Verweis auf die Komplexität des Themas und der Feststellung, dass sowohl Optimisten als auch Pessimisten teilweise recht haben könnten. Seine vermeintliche Neutralität ist in Wahrheit Ausdruck seiner Unfähigkeit, eine eigene Position zu formulieren oder für diese einzustehen. Er übernimmt gerne die Rolle des wohlwollenden Erklärbären, der beiden Seiten respektvoll zuhört – um dann nichts Substantielles beizutragen.

Job: Wissenschaftsjournalist, Moderator, Berater
Traum: Als differenzierter Vordenker wahrgenommen zu werden, ohne sich je festlegen zu müssen
Heimlicher Traum: Endlich einmal eine klare Meinung zu vertreten
Bücherschrank: Eine wohlsortierte Mischung aus technikoptimistischer und -kritischer Literatur, alle mit Lesezeichen auf den ersten 30 Seiten

6. Der Neo-Luddistische Hipster

Eine neuere Erscheinung im Diskurs ist der Neo-Luddistische Hipster – ein urbaner, gut ausgebildeter Kreativarbeiter, der die Rückkehr zu analoger Technik als Lifestyle-Statement zelebriert. Mit seiner mechanischen Schreibmaschine im Co-Working-Space verkörpert er den performativen Widerstand gegen die Digitalisierung. Seine Vinylsammlung und sein Hang zu Polaroid-Kameras sind nicht nur ästhetische Entscheidungen, sondern Teil einer sorgfältig kuratierten Identität des „bewussten Konsumenten“.

Er nutzt Instagram, um seine analogen Lebensentscheidungen zu dokumentieren und zu kommentieren. Seine Technologiekritik ist weniger politisch als ästhetisch motiviert – er lehnt nicht Technologie an sich ab, sondern nur jene, die nicht seinem Vintage-Ideal entspricht. Sein Arbeitsalltag ist durchdrungen von digitalen Tools, während er in seiner Freizeit die „authentische“ analoge Erfahrung zelebriert. Die Ironie, dass sein retroromantischer Lebensstil nur durch digitale Privilegien ermöglicht wird, entgeht ihm vollständig.

Job: Designer, Autor, Fotograf, „Creative Something“
Traum: Ein Leben wie aus einem Wes-Anderson-Film, mit perfekt inszenierten analogen Momenten
Heimlicher Traum: Viral zu gehen mit einem Foto seiner Schreibmaschine
Bücherschrank: „The Revenge of Analog“, Bücher über Minimalismus in Hochglanzausgabe, Vinyl-Ratgeber

7. Die Datenfundamentalistin

Die Datenfundamentalistin – eine Person, die felsenfest davon überzeugt ist, dass alle gesellschaftlichen Probleme durch ausreichende Datenerhebung und -analyse lösbar sind. Mit fast religiösem Eifer predigt sie die Offenbarung der großen Zahlen und die Erlösung durch Algorithmen. Für sie ist „datenbasierte Entscheidungsfindung“ nicht nur eine Methode, sondern ein Glaubensbekenntnis.

Sie spricht von „Datendemokratisierung“ und „Evidenzbasiertheit“, ohne die methodischen Grenzen ihrer Ansätze zu reflektieren. Ihr blinder Fleck ist die Erkenntnis, dass auch Daten und Algorithmen von sozialen Werten und Machtverhältnissen durchdrungen sind. Ihre Lösungen für komplexe soziale Probleme basieren auf der naiven Vorstellung, dass mehr Daten automatisch zu besseren Entscheidungen führen. Sie verwechselt Korrelation mit Kausalität und Präzision mit Richtigkeit, Faktizität mit Wahrhaftigkeit.

Job: Data Scientist, Analyst, Unternehmensberaterin
Traum: Eine Welt, in der jede Entscheidung durch ein Dashboard visualisiert wird
Heimlicher Traum: Komplexe zwischenmenschliche Probleme durch Quantifizierung zu lösen
Bücherschrank: „Big Data“, „Freakonomics“, „Factfulness“, Statistiklehrbücher

8. Der Techno-Esoteriker

Der Techno-Esoteriker vereint die Sprache des Silicon Valley mit dem Vokabular spiritueller Selbstfindung. Für ihn sind Blockchain und Achtsamkeitsmeditation, künstliche Intelligenz und Ayahuasca-Zeremonien kein Widerspruch, sondern Teil eines ganzheitlichen Lebensentwurfs. Er spricht von „Bewusstseinserweiterung“ sowohl im Zusammenhang mit psychedelischen Erfahrungen als auch mit neuen App-Funktionen.

Seine Vision einer technologisch ermöglichten Transzendenz ist geprägt von einer seltsamen Mischung aus kalifornischem Optimismus, östlicher Spiritualität und transhumanistischen Phantasien. Er glaubt an die Verschmelzung von Mensch und Maschine nicht nur als technologisches, sondern auch als spirituelles Projekt. Seine Sprache ist durchsetzt mit Begriffen wie „Synergie“, „Emergenz“ und „kollektive Intelligenz“, die er sowohl auf Software als auch auf Bewusstseinszustände anwendet.

Job: Start-up-Gründer, Wellness-Coach, „Consciousness Hacker“
Traum: Die Erreichung des Singularitätsbewusstseins durch Mikrodosierung und Neuralink
Heimlicher Traum: Das nächste große Ding zu entdecken, das Spiritualität und Technologie verbindet
Bücherschrank: „Stealing Fire“, „How to Change Your Mind“, „Homo Deus“, Bücher von Yuval Noah Harari und Ken Wilber

 

Damian Paderta
Damian Paderta
Webgeograph & Digitalberater