datawear: Low-Tech-Canvases gegen High-Tech-Überwachung

Wie sieht unsere Stadt aus, wenn wir sie durch die Brille digitaler Technologien betrachten? Was verändert sich, wenn wir nicht nur Wege und Gebäude wahrnehmen, sondern auch unsichtbare Infrastrukturen – Kameras, Sensoren, Wi-Fi-Signale, Tracking-Systeme? Die DIY-Canvases sind ein kreatives Werkzeug, um genau das zu erkunden: Sie verwandeln unsere alltägliche Umgebung in ein Lernfeld für digitale Selbstermächtigung.

Digitale Erkundung in der eigenen Nachbarschaft

Die DIY-Canvases sind niedrigschwellige, analoge Arbeitsblätter zum Ausdrucken, die den Zugang zu komplexen Technologien wie Gesichtserkennung, Wärmebildgebung oder Wi-Fi-Tracking ermöglichen. Sie wurden entwickelt, um Bürger*innen dazu zu ermutigen, sich aktiv mit den digitalen Infrastrukturen ihres Alltags auseinanderzusetzen – kritisch, spielerisch und reflektiert.

Dabei geht es nicht um Technikfeindlichkeit, sondern um Bewusstsein: Wer verstehen will, wie digitale Überwachung funktioniert, muss nicht gleich Informatiker*in sein. Die DIY-Canvases bieten einfache Experimente, kluge Hintergrundinformationen und praktische Tipps – und regen dazu an, Technologie als etwas Verhandelbares zu begreifen.

 Gesichtserkennung – Zwischen Komfort und Kontrolle

Das erste Canvas widmet sich der Gesichtserkennung – einer Technologie, die sich rasant in unserem Alltag etabliert hat. Von Bahnhöfen über Einkaufszentren bis hin zu Wohnanlagen großer Immobilienfirmen: Kameras, die Gesichter erkennen und zuordnen, werden zunehmend als Sicherheitsinstrumente verkauft – und gleichzeitig als neue Form der Überwachung kritisiert.

Das DIY-Canvas zur Gesichtserkennung zeigt, wie diese Technologie funktioniert, wo sie eingesetzt wird und wie man sich ihr kreativ entziehen kann. Dabei werden auch Taktiken sichtbar, die im urbanen Raum längst Teil von Protestkulturen geworden sind – etwa Make-up-Muster, die Kameras verwirren, oder Kleidungsstücke mit reflektierenden Oberflächen.

Wärmebild – Unsichtbare Daten über den Körper

Wärmebildkameras messen die Oberflächentemperatur von Menschen und Objekten – eine ursprünglich militärische Technologie, die in Pandemiezeiten plötzlich Einzug in Einkaufszentren, Flughäfen oder Schulen hielt. Die DIY-Canvas zum Thema Wärmebild lädt dazu ein, die Technologie selbst auszuprobieren, zu hinterfragen und in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen.

Wo wird Intimsphäre verletzt? Welche Daten werden gesammelt, ohne dass wir es merken? Und wie verändert sich das Verhältnis zwischen Körper, Öffentlichkeit und Kontrolle?

Wi-Fi-Tracking – Der digitale Fußabdruck

Jedes Smartphone sendet regelmäßig Signale, um sich mit Netzwerken zu verbinden. Diese Signale machen uns – ohne unser aktives Zutun – ortbar. Unternehmen und Städte nutzen diese Informationen zur Bewegungsanalyse, zur Optimierung von Verkaufsflächen oder für Sicherheitsstrategien.

Das Wi-Fi-Canvas öffnet die Augen für diese unsichtbare Form der Überwachung. Es zeigt, wie unsere Geräte zur Datenspur werden, erklärt die dahinterliegende Technik – und gibt konkrete Hinweise, wie man sich schützen kann. Denn: Digitaler Selbstschutz beginnt mit Wissen.

Zwischen Bildung, Aktivismus und Gestaltung

Was alle Canvases vereint, ist ihr Anspruch, Technologie in gesellschaftlichen Debatten zurückzuholen. Es geht um digitale Mündigkeit, um Selbstbestimmung, um das Recht auf Privatheit und Teilhabe. Sie lassen sich in Bildungsworkshops einsetzen, bei Spaziergängen im Stadtraum, in Makerspaces oder im Rahmen künstlerischer Interventionen.

Gleichzeitig zeigen sie, dass Widerstand gegen technologische Überwachung keine Verweigerung ist – sondern eine kreative Form der Auseinandersetzung. Eine Erinnerung daran, dass Fortschritt nicht nur technisch, sondern vor allem sozial gedacht werden muss.

Die Stadt neu sehen lernen

Mit den DIY-Canvases wird die eigene Nachbarschaft zum Labor für digitale Demokratie. Sie bieten Werkzeuge, um Unsichtbares sichtbar zu machen, Handlungsmöglichkeiten zu erkennen und Diskussionen anzustoßen. Und sie zeigen: Wer heute Stadt gestalten will, muss auch die digitalen Infrastrukturen verstehen, die sie formen.

Alle Canvases zum Download sowie die virtuelle Ausstellung „Privacy in the Age of the New Intimacy“ unter: www.datawear.it/diy

 

Damian Paderta
Damian Paderta
Webgeograph & Digitalberater