
Die Einsatzmöglichkeiten der Digitalisierung in der Entwicklungszusammenarbeit ist vielseitig und in ganz unterschiedlichen Kontexten umsetzbar: Landwirte erhalten in Ghana Daten über aktuelle Marktpreise per SMS und können damit bessere Preise für ihre Ernte erzielen. Probleme bei kommunale Dienstleistungen wie z.B. defekte Wasserleitungen, können in Kenia wiederum auf einer interaktiven Karte zusammengetragen und an die Verantwortlichen gemeldet werden. Über eine Social Media-Plattform treten Jugendliche in Benin in direkten Kontakt mit Politikern und können dort Themen ansprechen, die sie berühren. Mit vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln können webbasierte Projekte, Menschen das Leben erleichtern. Ressourcen, Wille, Potenzial und Notwendigkeit sind zwar notwendig für das Gelingen eines Projekts, sie allein reichen aber nicht aus.
Den richtigen Ansatz finden
Die Digitalisierung aller Lebensbereiche ändert mit hoher Geschwindigkeit menschliche Interaktionen im Raum. Die damit notwendigen Änderungen in Arbeitsprozessen und Organisationsformen folgen diesen nur langsam oder passen sich nur widerwillig an. Es gibt keinen „richtigen“ Einsatz von Technologie, sehr wohl aber einen falschen. Wie das? Technologie ist ein Werkzeug und keine Lösung. Es gibt keine abschließend vorhersagbare Verwendung von Technik, sondern diese ist stark vom Kontext der Anwenderinnen abhängig. Sie ist vielmehr das Resultat eines von Menschen geführten Prozesses. Allzu oft wird dieses Resultat, ohne den dazu nötigen Prozess, als Lösung bereitgestellt.
Nicht verwunderlich also, dass dieser Ansatz regelmäßig scheitert. Nicht nur im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Die verwendete Technologie sollte daher ermächtigend sein, nicht einschüchternd. Technologie sollte vom Zweck (also vom Nutzer) her betrachtet werden, nicht allein von einem projizierten Potenzial derer, die sie bisher nutzten. Entscheidend ist, ob die Technik für den Menschen entworfen wird oder der Mensch der Technik näher gebracht wird. Häufig ist Letzteres der Fall. Techniker bevorzugten es meistens Anwender ihre Technik näherzubringen, als ihre Technik Anwendern anzupassen. Statt den Gebrauchswert anhand von Prototypen zu testen, wird der Anwendern prototypisch an der Technik getestet und später geschult. Statt gute Beispiele zu kopieren und zu modifizieren, wird das Rad neu erfunden und damit wertvolle Ressourcen verbraucht.
Effektivität statt Effizienz
„Wenn du schnell gehen willst, geh allein! Wenn du weit gehen willst, dann gehe zusammen!“ So lautet ein afrikanische Sprichwort und so könnte auch das Mantra für technikbasierte Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit lauten. Kommunikation verbraucht eine Großteil der Zeit in Projekten. Je mehr daran teilnehmen und je unterschiedlicher sie sind, desto länger dauert auch der Prozess. Deshalb ist es für Projektverantwortliche manchmal sehr verlockend, den schnellen Weg zu gehen und möglichst wenige Akteure einzubinden. In Hinblick auf eine rasche und breite Verwendung des technikbasierten Projektes ist dies weder zielführend noch nachhaltig.
Aus Fehlern lernen
Allzu zu oft sind internationale Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit in der Vergangenheit gescheitert.
Gründe dafür gibt es viele:
- Projekte werden ohne den Input der AnwenderInnen oder Stakeholder entwickelt. Dies spielt besonders im Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Projekten eine entscheidende Rolle.
-> Human Centered Design Toolkit (PDF) - Die Skalierbarkeit wird nicht beachtet. Manchmal scheitern Projekte, weil sie die Pilotphase nicht überschreiten. Skalierbarkeit ist nicht zwingend ein notwendiges Kriterium, es sollte aber geprüft werden, damit Projekte ihr volles Potenzial entfalten können.
-> Designing Systems at Scale (PDF) - Das spezielle Wirkungsgefüge des Internets wird nicht verstanden. Der Begriff der digitalen Ökosysteme beschreibt die Idee, das Internet nicht als weiteren Medienkanal, sondern als Raum zu denken, in dem sich Menschen bewegen.
->The Ecosystem of U.S. International Development Assistance (PDF) - Die physischen, menschlichen und finanziellen Ressourcen für eine langfristige Nutzung werden unterschätzt oder erst gar nicht in Betracht gezogen.
-> Closing the Feedback Loop: Can Technology Bridge the Divide? (PDF) - Vorliegende Daten werden nicht ausreichend als Entscheidungsgrundlage oder zur Kurskorrektur genutzt.
-> The Ultimate Guide to Effective Data Collection (PDF)
-> A World That Counts: Mobilising the Data Revolution for Sustainable Development (PDF) - Es werden öffentliche Mittel in proprietäre Software, in unauffindbare oder gegen eine Gebühr nutzbaren Datensilos investiert und verhindern damit eine Weiterentwicklung.
-> Open Source and the Creative Commons: A Primer for Humanitarian Aid and International Development (PDF) - Statt von bestehender guter Praxis zu lernen und bestehende Standards und Code zu nutzen, wird unnötigerweise neue Software entwickelt.
- Wie Informationen gesammelt, gespeichert, analysiert, gemeinsam genutzt und verwendet wird, hat teilweise schwerwiegende Auswirkungen. Sowohl für die Bevölkerung, deren Daten übertragen werden, als auch für die Organisationen, die die Daten übertragen.
-> Privacy by Design The 7 Foundational Principles (PDF)
-> International Standards on the Protection of Personal Data and Privacy (PDF) - Projekte werden „von oben“ angeordnet und in Eigenregie ohne weitere Einbindung von Außen ausgeführt.
-> Designing Collaboration (PDF)
Einfache Leitlinien für den Einsatz digitaler Technologien
Es geht auch anders. Aus diesem Anlass sind die Principles for Digital Development entstanden. Die Principles for Digital Development sind neun Leitlinien für den erfolgreichen Einsatz digitaler Technologien in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit. Sie bauen auf den Greentree Principles aus dem Jahr 2010 auf, die aus den Erfahrungen der Geberländer im ICT4D-Bereich hervorgegangen sind. Außerdem orientieren sich die Leitlinien an den UNICEF Innovation Principles und den UK Design Principles. Sie sind Richtlinien, die sich aus den Erfahrungen etablierter Best Practices-Beispiele speisen und bei der Entwicklung ähnlicher Projekte eine Hilfestellung geben können. Sie wurden von und für Akteure aus der internationalen Entwicklungshilfe geschrieben.
Die Grundsätze sollen eher als Leitfaden verstanden und als „lebendiges Dokument“ aktualisiert und im Laufe der Zeit verfeinert werden. Die Prinzipien stammen gleichermaßen aus den Erfahrungen von Einzelpersonen, Entwicklungsorganisationen und Gebern. Aus diesem Erfahrungsschatz sind diese einfachen Prinzipien entstanden.
Da diese Prinzipien auch für Projekte in Deutschland und für Deutschsprachige relevant sind, habe ich die Principles for Digital Development ins Deutsche übersetzt.
Download
-> Prinzipien digitaler Entwicklungszusammenarbeit (DOWNLOAD – PDF)
Das Werk steht unter einer Creative Commons Zero – Public Domain License