Arbeitsmodus: Falke oder Wühlmaus?

Häkchen des Glücks

Das Abhaken von Aufgaben einer Todo-Liste verschafft uns das Gefühl etwas getan, etwas bewegt oder ein Problem gelöst zu haben. Das fühlt sich manchmal so gut an, dass ich den Namen „Todo-Lüste“ passender finde. Fakt ist, dass jede kleine Reaktion die wir in der Kommunikation mit Menschen (manchmal auch mit Maschinen) ein positives Feedback im Kopf auslösen kann.

Jede Nachricht kann uns symbolisieren: Wir werden gebraucht! Wir stehen in Kontakt zu Personen von denen wir wertgeschätzt werden möchten. Das erschafft eine Erregung die wir ständig aufrecht zu erhalten suchen. Das ist menschlich und gut so. Aber für unsere fokussierte Arbeit bedeut dies, dass auf jede gesendete Nachricht eine Antwort kommen wird, auf die wir wiederum insgeheim warten.

Wir sind von Geburt auf Kommunikations-Junkies und das Web bedient diese menschliche Sucht hervorragend. Es wird Zeit zu lernen damit umzugehen. Während sich die Priorisierung von Aufgaben nach dem 80/20-Prinzip auf eine effiziente Form des Arbeitens konzentriert die besagt, dass die schnellsten und wichtigsten Sachen vorrangig abgearbeitet werden sollen, stelle ich Frage zu Beginn meiner Entscheidung für oder gegen eine Arbeitsweise nach der mentalen Verfassung einer Person. Kann sie konzentriert arbeiten, ohne ständig an alle bevorstehenden Aufgaben zu denken oder vibrieren eben diese Aufgaben so lange ihn ihr herum, bis dass sie erledigt werden?

Die Arbeit an mehreren Monitoren bzw. Maschinen „gleichzeitig“ (auf die Absurdität der Gleichzeitigkeit werde ich später noch eingehen) hat seine Vorteile. Ich behalte meine Mails, das Tweetdeck im Überblick, gleichzeitig sehe ich wer mir was per Messenger oder Chat schreibt. Auf meinem Hauptmonitor ist die Anwendung geöffnet mit der ich produktiv arbeite oder konzentriert lese. Nun komme ich zur Krux: Konzentration oder Produktivität im Sinne von kreativer Arbeit, ist in einer solchen Umgebung nur unter bestimmten Prämissen möglich. Bevor ich meine Arbeit am Rechner beginne, werde ich mir bewusst, welchen Modus ich einnehmen werde: ich nenne es der Einfachheit halber Falken- oder Wühlmaus-Modus. Damit sind zwei verschiedene Ansätze des Denkens und Arbeitens gemeint.

Falken-Modus

In diesem Modus möchte ich mir einen Überblick über Tagesaktuelle Informationen verschaffen. Dazu gehören Nachrichten, Emails ohne Aufforderungscharakter, ein Streifzug durch Soziale Netzwerke und der Blick aufs Tweetdeck. Die Auslese der für mich relevanten oder anregenden Informationen erfolgt mit gelassener, eher blasierter als affektierter analytischen aufmerksamen Haltung. Dieser Modus ist insoweit offen von der Geisteshaltung als dass ich ohne bestimmtes Ziel leiten lasse und dem Zufall eine Chance gebe auf Webseiten zu stoßen die außerhalb meiner Filterbubble stehen.

Bestimmte Webseiten die aufgrund sehr emotionalen Inhalten überfliege ich soweit es geht. Sie können mir eine Erregung abverlangen die später im kreativen Wühlmaus-Modus besser eingesetzt werden kann. Später werde ich darauf eingehen warum ich in diesem Modus nur sparsam mit Erregung und Konzentration umgehe. Insgesamt gebe ich dem Falken-Modus nicht länger als eine halbe Stunde am. Stück, es sei denn, ein längerer Text auf den ich zufällig gestoßen bin, verlangt mir doch mehr Konzentration ab, als der Modus mir zugesteht. Was aber vollkommen in Ordnung und auch sinnvoll sein kann.

Wühlmaus-Modus

Nach dieser besagten halben Stunde wird es Zeit für eine kurze Pause. D.h. aufstehen, Tee kochen, Handy auf lautlos stellen, sämtliche Anwendungen schließen die mit mir kommunizieren können, wie Mail oder Chat Client oder mir sonstige Meldungen über Updates etc. Bringen können. Der Darauf folgende Modus ist das Wühlmaus-Modus. Jegliche Ablenkung wird beseitigt. Es ist völlig gleich ob ich einen Text tippe, eine Grafik erstelle, einen Soundtrack bearbeite, ein Video schneide, einen Programmcode schreibe oder mir ein Konzept ausdenke: der Fokus meiner Arbeit erlaubt keinen einzigen Nebenbuhler um meine Aufmerksamkeit.

Das Handy spielt eine besonders wichtige Rolle, kulminieren schließlich in der Regel alle Nachrichten und Meldungen in diesem Gerät was uns weitaus mehr verbunden ist als der Desktop-PC es je sein kann. Deshalb nenne ich Smartphones in diesem Zusammenhang auch Aufmerksamkeitsschwein. Es quiekt permanent und buhlt um unsere Aufmerksamkeit, wohl wissend dass wir ihm irgendwann nachgeben werden. Aufmerksamkeitsschweine können allerdings verschiedene Gestalten annehmen wie Türklingeln, Handys, Mitbewohner oder Haustiere. Sie alle bringen den Wühlmaus-Modus zum Erliegen. Wieso? Weil kreative Arbeit Konzentration benötigt, die einen zeitlichen Vorlauf braucht, der weder beliebig ist, noch ohne einen Verlust an Schaffenskraft an dem gleichen Punkt angesetzt werden kann. Unterbrechungen nerven.

Das Abstellen aller Aufmerksamkeitsschweine ist die eine Seite, die Wahl meiner Werkzeuge die andere. Es gibt sehr unterschiedliche Zugänge zu kreativen Arbeiten. Jeder hat seinen eigenen Stil. Alle Werkzeugen und Materialien sollten eindeutig im Beziehung zu meiner Aufgabe stehen. Oft genug haben sie einen Mehrfachnutzen der zwar erwünscht, aber nicht zweckdienlich ist, weil er ablenken kann. Ein Beispiel wäre mein Email-Client. Möchte ich eine wichtige und durchdachte Mail verfassen, ist dieser zwangsläufig offen und wird mich irgendwann mit neuen Nachrichten beglücken und meinen Denkprozess unterbrechen. Eine Maßnahme ist den Client zu schließen und sich sprichwörtlich nur auf das weiße Blatt zu konzentrieren: ein Texteditor der im Fullscreen-Modus arbeitet und nur mit den nötigsten ausgestattet ist ist bspl. der ZenWriter oder ein anderer Texteditor ohne Formatierungsmöglichkeiten. Es gibt eine Reihe sinnvoller Anwendungen die den Wühlmaus-Modus unterstützen.

Dieser Modus ist, anders als der Falken-Modus, länger ausführbar und erreicht die Spitze seiner Schaffenskraft je nach Person uns Tätigkeiten erst nach Stunden. Nach diesem Zenit ist eine Pause nötig. Sie kann auch dazu genutzt werden, auf einem unerregten Bewusstseinszustand, verpasste Anrufe oder neue Nachrichten zu checken. Dabei bleibe ich jedoch weitestgehend im „zur Kenntnis“ Haltung und schreibe nur kurze, schnelle Antworten zurück.

Was dahinter steckt

Wer kennt sie nicht, die Bitte nach der „ungeteilten Aufmerksamkeit“. Dahinter steckt die Annahme unsere Aufmerksamkeit beliebig in kleine Portionen gestückelt werden kann oder der Irrglaube der Multitasking-Fähigkeit. Es ist unmöglich, wirklich mehrere Dinge gleichzeitig mit vollem Bewusstsein zu erledigen. Zwei Gedanken gleichzeitig zu denken oder zwei Gespräche gleichzeitig zu führen ist weder möglich noch sinnvoll.

Wenn wir dies tun, dann geschieht das innerhalb von kurzen zeitlichen Intervallen oder mindestens eine der Handlungen geschieht ohne Konzentration aus einer Routine heraus. Diese Routinen sind es allerdings, die uns hindern können, Neues zu erschaffen bzw. kreativ zu werden. An dieser Stelle kann die Unterscheidung der Aufgaben in Wühlmaus oder Falken-Modus sinnvoll sein.
Dieser Artikel entstand übrigens im Wühlmaus-Modus. 🙂

Damian Paderta
Damian Paderta
Webgeograph & Digitalberater